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Potsdam-Mittelmark: Die Namen der Ermordeten

In Werder erinnern Stolpersteine an deportierte Juden. Der Weg dahin war lang

Von Enrico Bellin

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Werder (Havel) - An die während der Schreckensherrschaft der Nazis in Werder ermordeten Juden wird seit dem gestrigen Mittwoch durch acht Stolpersteine erinnert. Vor vier ehemals jüdischen Wohn- und Geschäftshäusern in Werder und Glindow wurden je zwei Stolpersteine verlegt, auf denen die Lebensdaten der jüdischen Bewohner eingraviert sind.

An der prominentesten Stelle in der Brandenburger Straße 20 wird an Ruth und Hans-Peter Olschowski erinnert, Mutter und Sohn, die seit 1934 in Werder lebten und in Konzentrationslagern in Auschwitz und dem thüringischen Nordhausen umkamen. Zur Verlegung der Stolpersteine waren Ralf Olschowski und seine Schwester Petra aus Thüringen angereist, die Enkel der ermordeten Ruth Olschowski.

„Wir wussten sehr wenig über die Vergangenheit unserer Familie, es wurde nie darüber gesprochen“, so Ralf Olschowski. Als er bei seiner Tante Anita, die ebenfalls in Auschwitz inhaftiert war, als Kind die eintätowierte Häftlingsnummer sah und danach fragte, wurde ihm beispielsweise erzählt, dass die Tätowierung nur eine alte Telefonnummer sei.

Dass er nun mehr über seine Familie weiß, verdankt Ralf Olschowski dem Werderaner Bündnis Kurage und Schülern der Carl-von-Ossietzky-Oberschule, die zur Geschichte der deportierten Juden recherchierten und sich für das Verlegen von Stolpersteinen des Kölner Künstlers Gunter Demnig einsetzten. Der Anstoß dazu kam bereits im Jahr 2005, als ein inzwischen verstorbener Berliner das Werderaner Rathaus bat, für seinen ermordeten Schulkameraden Hans-Peter Olschowski einen Stolperstein zu verlegen.

Seither wurde in Werder über diese Form der Erinnerung diskutiert, einige Abgeordnete der CDU folgten der Meinung der ehemaligen Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch. Ihr zufolge sei es unerträglich, das auf den Namen der Juden herumgetreten wird. Erst im Jahr 2012 einigten sich die Stadtverordneten, jede Form des öffentlichen Gedenkens an jüdisches Leben zu begrüßen.

„Seitdem ist die Zusammenarbeit mit der Stadt positiv, das Klima hat sich bezüglich der Stolpersteine verbessert“, sagte der Vorsitzende des Bündnisses Kurage, Uwe Dinjus, den PNN. Das es seit dem Beschluss von 2012 eineinhalb Jahre gedauert hat, bis die Steine verlegt werden konnten, begründete er damit, dass erst sämtliche Genehmigungen zum Verlegen der Steine vorliegen mussten, ehe der Künstler Gunter Demnig zu einer Terminabsprache bereit war. Demnig wählte daraufhin den gestrigen Termin, da er am Vortag bereits in Potsdam drei Stolpersteine verlegte.

In Werder sollen Uwe Dinjus zufolge in den nächsten Jahren weitere Stolpersteine verlegt werden. So hat eine Arbeitsgemeinschaft von Kurage bereits das Schicksal von 24 weiteren deportierten Juden erforscht, außerdem werde zu etwa 150 weiteren Fällen recherchiert. „Wer möchte, kann zu jedem ermordeten Juden einen Stolperstein spenden“, so Dinjus.

Die Steine kosten etwa 120 Euro, auch die acht gestern verlegten Erinnerungsstellen wurden gespendet. Rechtlich sollte weiteren Stolpersteinen nichts im Wege stehen. Ein Stadtverordnetenbeschluss von 2012 sieht vor, alle Anträge zu genehmigen, sofern die Kosten übernommen werden und Angehörige der Verstorbenen einverstanden sind.

Neben den Stolpersteinen soll voraussichtlich im kommenden Jahr ein Gedenkbuch erscheinen, in dem die Schicksale der ermordeten Juden genauer dargestellt sind. Zu den Lebensläufen der jetzt Geehrten hat das Bündnis Kurage einen Flyer angefertigt, der in der Stadt ausgelegt wird und auch auf der Homepage des Bündnisses zu sehen ist. Enrico Bellin

Der Flyer im Internet unter kurage.eu

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