Potsdam-Mittelmark: Die neuen Alternativen
In der Europa- und Bundespolitik lagen ihre Themen, jetzt will die AfD auch Kommunalpolitik lernen
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Stahnsdorf / Werder (Havel) - Christian Kümpel kann es noch immer nicht so richtig glauben: Der 52-jährige Stahnsdorfer wird als einer der ersten Vertreter der noch jungen Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Stahnsdorfer Gemeinderat und auch im Kreistag Potsdam-Mittelmarks sitzen. „Ich will Ihnen nichts vormachen“, sagt der Sprachlehrer, „meine Themen waren bislang nicht vordergründig lokal.“ Bislang hätte er sich in erster Linie für bundespolitische und europäische Themen interessiert. „Andere arbeiten 20 Jahre, um in den Kreistag zu kommen“, sagt Kümpel. Er hat es im Schnelldurchlauf geschafft.
Von null auf hundert in nicht mal fünf Monaten: Die AfD hat am Sonntag im Landkreis einen Blitzstart hingelegt. Gleich bei ihrer ersten Wahl fuhren die Euroskeptiker aus dem Stand 4,6 Prozent der Wählerstimmen ein. Damit liegt die Partei in Mittelmark über dem Landestrend von 3,9 Prozent. Zudem darf sie drei Vertreter in Fraktionsstärke in den Kreistag entsenden – und auch in den Gemeinderäten von Werder (Havel), Kleinmachnow und Stahnsdorf wird je ein Sitz bezogen.
Dabei hatte sich die mittelmärkische AfD erst Anfang des Jahres gegründet – die Partei bundesweit sogar erst vor knapp 13 Monaten. Die politischen Erfahrungen ihrer Mitstreiter sind oft noch theoretischer Natur, sagt Christian Kümpel: „Wir müssen schnell dazulernen.“ Was auf ihn zukommt, kann er nur aus Zeitungsartikeln erahnen: „Im Kommunalen wird Politik nicht nach dem Muster rechts und links gemacht“, vermutet er. „Ich bin jetzt so eine Art Mini-Politiker“, sagt Kümpel. „Ich habe es geschafft.“
Neu im politischen Geschäft ist seit der Wahl am Sonntag auch der Werderaner AfD-Mann Steffen Königer. Der 41-jährige Unternehmer hat zwar Politik studiert. „Ich weiß, wie es theoretisch funktioniert.“ Ein politisches Mandat hatte der Vorsitzende des Werderaner Windsurfvereins bislang aber noch nicht inne. Dass er nun bald einen großen Teil seiner Freizeit für die Politik aufgeben muss – „das war mir bewusst“, sagt Königer.
Der Neuling hat in seinem Wahlkreis in Werder, Seddiner See und Schwielowsee das viertbeste Ergebnis geholt – was den politischen Blick schon weitet: Bürgermeisterwahlen in Werder, Landtagswahlen? „Ich kann mir alles vorstellen“, sagt Königer, der bei der AfD noch eine dreistellige Mitgliedsnummer führt: 991.
Der zweifache Familienvater will alles tun, dass seine Partei nicht nur ein kurzzeitiges Leuchten am politischen Firmament bleibt. Im Kreistag und in der Stadtverordnetenversammlung wird er dafür Verbündete suchen müssen. „Wir wollen keine Fundamentalopposition betreiben“, sagt Königer. Er sieht die AfD aufseiten von Bürgerinitiativen, Windkraft- oder Solarparkgegnern. Er fordert zudem eine Abkehr vom Gelben Sack zurück zur Gelben Tonne. Auch um die Pförtnerampeln am Potsdamer Stadtrand, an denen sich mitunter Staus bilden, will er sich kümmern.
Am heutigen Mittwoch werde sich die neue Kreisfraktion erstmals treffen, kündigte Christian Kümpel an. „Wer Fraktionschef wird, müssen wir dann noch ausbaldowern.“ Kümpel hat die meisten Stimmen geholt, die Kleinmachnowerin Kornelia Kimpfel indes die meiste Erfahrung. Schon seit Jahren sitzt sie in ihrem Heimatort im Gemeindeparlament – bislang für die FDP. Vor der Wahl wechselte sie die Partei. „Ich hoffe, dass sie uns den einen oder anderen Rat geben kann“, sagt Kümpel. „Ich setze auf meine Lernfähigkeit.“
Kümpel spürt eine gewisse Verantwortung. „Ich will das auch nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ Er sei nicht als Stimmenlieferant für andere angetreten. Der AfD-ler will politische Kante zeigen: „Ich gehöre nicht zu denen, die erst Geld ausgeben und sich dann überlegen, wo es eigentlich herkommt.“ Ein kommunales Jugendcafé wird es mit ihm in Stahnsdorf nicht geben, dafür will er für mehr Lärmschutz sorgen. Kümpel weiß aber auch, dass er bei engen Entscheidungen in Stahnsdorf mit seiner einen Stimme zum Zünglein an der Waage werden könnte. Er tendiere dann wohl zu einem Bündnis mit der CDU. Aber dürfen die überhaupt mit der AfD?, fragt er sich laut. „Kann doch sein, dass die von oben eins auf den Deckel kriegen“, sagt Kümpel. Kann sein.
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