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Potsdam-Mittelmark: Die neutrale Dritte

Helga Lensch lebt seit sechs Jahren in Werder. Dem Heimatverein gilt sie dennoch als „Neu-Werderanerin“

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Helga Lensch lebt seit sechs Jahren in Werder. Dem Heimatverein gilt sie dennoch als „Neu-Werderanerin“ Werder - Der gute alte ORB ist bei den Brandenburgern höchst beliebt, nicht zuletzt wegen seiner ausdauernd freundlichen Moderatoren-Gemeinschaft. Helga Lensch, die Erfinderin der bis heute vom Volke mehr, von den Politikern weniger geschätzten Sendung „Vor Ort“, gehörte bis zum Jahre 2000 dazu. Fünf Jahre war sie damit beschäftigt, landauf-landab die großen und kleinen Probleme des Menschen „in der Region“ zu lösen. Es soll vorgekommen sein, dass die bloße Ankündigung, eine ORB-Sendung irgendwo vor Ort zu machen, genügte, um die Streithammel draußen im Lande zu einvernehmlichen Lösungen zu bewegen. Fernsehen, glaubt sie, sei zuerst „Herstellen von Öffentlichkeit“. Vorige Woche gab ihr der Werderaner Heimatverein im „Hotel zur Insel“ Gelegenheit, eine gute Stunde lang zu reden. Von sich und der Welt, von ihrer journalistischen Vita und den beiden Kindern, vom Fernseh-Machen und ihrem Verhältnis zu der Stadt, welcher sie seit sechs Jahren zugehört. Nicht ganz, bremste man sie, erst wenn ihre Tochter Paula, noch Kind, einen „Obstmucker“ heirate, „dann gehören Sie zu uns“. In der Einladung wurde sie als „Neu-Werderanerin“ tituliert. Helga Lensch, vor vier Jahren auf eigenen Wunsch ausgestiegen und inzwischen freiberufliche Unternehmerin in Sachen Krisen-Management nahe der Potsdamer Medienstadt, steckte das weg. Sie lehrt ja Moderatoren wie Geschäftsleute, Private und Schauspieler, wie man sich am besten „verkauft" – was wäre von ihr selbst, „noch immer im Unruhestand“, anderes zu erwarten gewesen? Selbstdarstellung als Erfolgsstory im Sinne einer von der Öffentlichkeit wohl geschätzten „Power-Frau“ – mit unverhülltem West-Einschlag und wie aufgedrehtem Selbstbewusstsein. Erst beim ORB habe sie gelernt, den Kollegen „vor der ersten Sendung die Hand zu schütteln und danach einen mit ihnen zu trinken“. Früher wäre sie „eine gute Schülerin“ gewesen, heute sagt sie bescheiden: „Ich bin eine gute Journalistin.“ Als sie aber einen bekannten Kollegen X als „Flachzange“ bezeichnete, bat sie die anwesende Presse, dies „bitte nicht“ zu schreiben. Ihre Ausbildung („klassisch“) machte sie in Hamburg, später in den USA, wo sie sich vorübergehend mit einem Einheimischen verlobte. Traum: politische Journalistin bei großen Nachrichten-Magazinen. Volontariat beim SFB, ein Jahr TV-Erfahrung mit namhaften Personen wie Liane von Pein und Elke Heidenreich. Sie sammelte Rundfunk-Erfahrungen und war beim ARD Moderatorin der Sendung „Talk täglich“ (wobei sie Fotos herumreichte: „Hier sehen Sie mich mit Regine Hildebrandt“), reporterte den Mauerfall, um nach einem Intermezzo beim privaten TV Berlin vom ORB „abgeworben“ zu werden. Heute, etwas jenseits der 40 und des TV, lehrt sie andere, ihre Krisen per „System-Coaching“ zu lösen, privat oder bei „beruflicher Umorientierung“. Helga Lensch, Tierkreis Stier, möchte immer „die neutrale Dritte“ sein, wie auch bei der Sendung „Vor Ort“, welche sie „gut und engagiert“ gemacht habe. Heute sei dieses Format freilich „stehen geblieben“, gekürzt soll es nur noch 14-tägig ausgestrahlt werden. Im Fernsehen gebe es „großen Mangel an Diskussions-Sendungen“, in den Öffentlichen nichts für Jugendliche. Zu wenig kluge Köpfe und Visionen, dem flinken Medium selbst geschuldet. Was aber sollte man vermitteln, wenn 55 Prozent einer Sendung auf Körpersprache, 38 auf Stimme und Äußeres der Moderatoren-Gilde angerechnet werden? Für die Information bleiben dem RBB ganze 7 Prozent. Gut zu wissen.

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