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Sterile Produktionsstrecke: Das Verfahren hat Codon in Teltow selbst entwickelt.

© promo

Von Matthias Matern und Jahel Mielke: Die Retter des Kniegelenks

Die Firma Codon produziert Knorpel im Reagenzglas. Jetzt erhielt sie auch ein Patent in den USA

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Teltow - Eine Frau sitzt vor einem Glaskasten, das Gesicht an der Scheibe. Ihre Arme hat sie durch zwei Gummischläuche gesteckt, durch die sie in den Kasten greift. Dort präpariert sie menschliche Zellen, legt sie in eine Nährlösung ein und verstaut sie im Brutkasten. So wächst bei der Firma Codon in sterilen Boxen Knorpel heran, der Patienten mit geschädigten Kniegelenken oder Bandscheiben helfen soll. „Wir produzieren körpereigene Ersatzteile“, sagt Andreas Baltrusch, Vorstandschef des 1993 gegründeten Teltower Biotech-Unternehmens. Die Produktionsverfahren hat das Unternehmen selbst entwickelt. Andreas Baltrusch, eigentlich Wirtschaftsingenieur und erst seit einem Jahr als Geschäftsführer dabei, erklärt das medizinische Verfahren, das den Erfolg des Unternehmens ausmacht.

Menschen, bei denen sich zum Beispiel durch Verschleiß ein Loch im Knieknorpel gebildet hat, lassen beim Arzt aus einem gesunden Bereich ihres Knies ein reiskorngroßes Knorpelstück entnehmen. Bei Codon werden aus den wenigen Zellen in vier bis acht Wochen viele Zellen gemacht und zu kleinen Kügelchen geformt. Der Arzt trägt die Kügelchen schließlich über eine Spritze auf das verletzte Gelenk auf. Dort sollen sie das Loch schließen. „Die Methode kann vielen und nicht nur jungen Menschen eine Prothese ersparen“, sagt Baltrusch. Die minimalinvasive Operation sei schonend, der Körper stoße das Gewebe nicht ab. „Wir setzen mit unserer Methode auf eine Heilung des Defekts statt auf einen Ersatz durch künstliche Teile“, erklärt er.

Erst 100 Ärzte und Kliniken in Deutschland nutzen die Zelltherapie von Codon. Zwar wurde schon 1997 der erste Patient behandelt. Doch die Krankenkassen kommen erst seit 2008 für die Behandlungsmethode auf. „Wir treten gegen starke Medizintechnikunternehmen an, die bei den Prothesen ihre Marktanteile schützen wollen“, erklärt Baltrusch. Zudem seien viele Ärzte bei ihrer Behandlungsempfehlung eher konservativ. „Betrachtet man die Gesamtkosten, ist unser Verfahren preiswerter“, sagt Baltrusch. Eine Anzüchtung der Zellen kostet derzeit 3500 Euro. Mittlerweile hat die Firma, die seit 2001 börsennotiert ist, schon fast 4000 Patienten therapiert. „Die Erfolgsquote liegt bei über 90 Prozent“, sagt Baltrusch. Derzeit führt das Unternehmen weitere klinische Langzeitstudien durch.

In diesem Jahr will Codon deutlich wachsen. Gerade hat das Unternehmen einen wichtigen Grundstein dafür gelegt bekommen. Das amerikanische Patentamt „United States Patent and Trademark Office“ hat die Technologie der Codon AG auch für den US-amerikanischen Markt geschützt. „Einem der größten Health Care-Märkte weltweit“, meint Baltrusch. Codon musste lange auf die Erfolgsnachricht warten, 2001 wurde der Patentantrag in den USA gestellt.

2009 machte die Firma mit ihren 30 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,8 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr stiegen die Erlöse um 22 Prozent auf 2,1 Millionen Euro. „Wir könnten unsere Produktion jederzeit verdreifachen“, sagt Baltrusch. Bis zu 5000 Patienten im Jahr könne man so behandeln. Insgesamt, schätzt Baltrusch, gibt es in Deutschland, dem stärksten Markt des Unternehmens, weit mehr als 10 000 Defekte am Knieknorpel, die mit Codons Zelltherapie behandelt werden könnten. „Wir wollen das Vertrauen von Ärzten gewinnen. Für dieses Jahr hoffen wir auf ein Wachstum von 20 bis 30 Prozent und auf 1500 Patienten“, sagt Baltrusch. Dafür müsse man Marketing und Vertrieb stärken. Codon verkauft seine Produkte auch in die Schweiz, nach Österreich, Italien und Griechenland und künftig vielleicht in den USA.

Das Land Brandenburg hat Codon vergangenen Herbst 2,5 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt, mit dem das Unternehmen expandieren und weiter forschen will. „Die Fördergelder unterstützen uns bei der Umsetzung der hohen Anforderungen der Europäischen Arzneimittelbehörde für eine zentrale Zulassung des Gelenkknorpelproduktes in Europa“, erklärt Baltrusch. Da im Dezember 2008 eine neue europäische Verordnung in Kraft trat, die für zellbasierte Arzneimittel eine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz fordert, muss Codon teure Langzeitstudien durchführen.

Bisher kommt das Zelltransplantat überwiegend im Knie und in der Bandscheibe zum Einsatz, man forscht aber auch an Hüfte, Ellenbogen und Sprunggelenk. „Wir denken außerdem darüber nach, das Verfahren in der Veterinärmedizin anzuwenden“, sagt Baltrusch. Auch bei einem Rennpferd könnte so zerstörter Knorpel wieder aufgebaut werden.

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