KulTOUR: Die Säfte der Kranken zur Ordnung gerufen
Eva Mosheim-Heinrich präsentiert Sammlung historischer Kräuterbücher in einer Ausstellung in Caputh
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Schwielowsee - Die Zeiten sind modern, des Menschen Faden zur Natur ist also abgerissen, beide sind einander fremd. Kein Wunder, wenn man glaubt, die Gesundheit käme von der Industrie oder aus der Tabletten-Apotheke. Für die Caputher Heilpraktikerin Eva Mosheim-Heinrich indes sind Pflanzen die Basis aller Dinge. Sie ist Geologin, schwenkte dann aber in den Heilberuf um, chinesische Medizin inklusive. Sie hat nicht nur einen üppigen Kräutergarten, sondern auch eine opulente Sammlung historischer Kräuterbücher, deren Faksimile-Druck heutzutage ein kleines Vermögen wert wäre.
Natürlich wird dieses alte Wissen in ihrer täglichen Arbeit benutzt, doch just entstand der Wunsch, diese Kostbarkeiten auch anderen zugänglich zu machen. In Kooperation mit dem Heimatverein wurde so die Idee zu einer Ausstellung im Heimathaus geboren, die man jedem wirklich nur empfehlen kann, den Eingebildeten und Kranken, dem Pflanzenfreund wie auch jenen, die sich der Schulmedizin verpflichtet fühlen. Es muss ja nicht immer nur Kunstwertiges sein. Wer also lernen will, soll lernen, wer nicht, der mag wenigstens staunen.
Aus ihrer Bibliothek hat Eva Mosheim-Heinrich vor allem Kräuterbücher der Renaissance ausgewählt, also rund um 1500. Man kann nicht nur in den herrlichen Büchern blättern und die gerahmten Stiche, mal in Holz, dann in Kupfer gestochen und fein koloriert, an den Wänden des Ausstellungsraumes im Hof bewundern. Es gibt auch Namen und Geschichten, zum Beispiel das „Kreutterbuch“ Pietro Andrea Matthiolas, Leibarzt Ferdinand I. Oder die hanebüchenen Stories aus dem zweiten Kräuterbuch von Leonhart Fuchs, das nie erschienen ist; doch blieben über 1500 Druckstöcke mit exquisiten Pflanzendarstellungen erhalten – bis man diese in späterer Zeit zu Brennholz verarbeitete. Ganz wenige gibt es noch, ein paar davon zeigt diese wunderprächtige Ausstellung, zu der auch eine erlesene Sammlung historischer Apotheker-Gefäße zählt.
Weitere Arzt- und Pharma-Promis jener Zeit waren Otto Brunsfels, Hieronymus Bock, Bartholomäus Carrichter, etwas später dann Basileus Besler, welcher den Garten zu Eichstett dokumentierte. Leider fehlt Paracelsus in diesem Kreis der Illustren, der berühmte „Fürst beyder Artzneyen“. Doch auch so erfährt man höchst anschaulich, wie die arabischen Ärzte des Mittelalters mit christlichen und jüdischen Fachkollegen kooperierten, wie man Heilkräuter nach Konstellation der Gestirne sammelt und verordnet, um die Säfte der Kranken wieder zur Ordnung zu rufen.
Überhaupt, für welches Weh welche Pflanze gemacht worden war: Weinraute half kranken Augen, Karde gegen Borreliose. Das wusste man in der „Schule von Salerno“ bei Monte Cassino natürlich auch, wo zur Renaissance-Zeit Frauen lehren und lernen durften. Im Hof des Heimathauses dann weitere Schautafeln, darauf man den Fortschritt der Buch-Illustration gut ablesen kann.
Davor die lebendigen Originale aus dem Garten der promovierten Naturwissenschaftlerin: Frauenmantel und Schafgarbe, Melisse, Johanniskraut und mehr. Eine Super-Idee, die eigenen Schätze mit anderen zu teilen, wie es ja die Absicht der Heilpraktikerin war. Man hat sehr zu danken. Gerold Paul
Die Ausstellung ist im Heimathaus Caputh, Krughof 28, bis 10. Juli, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr zu sehen.
Gerold Paul
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