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KulTOUR: Die sanfte Form der Karikatur

Noch bis zum 31. März sind Zeichnungen von Harald Kretzschmar in Stahnsdorf zu sehen

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Stahnsdorf - Wer erinnert sich eigentlich noch an Pierre Richard? Dieser große Blonde mit dem schwarzen Schuh? In den 70er und Anfang der 80er Jahre stolperte der französische Schauspieler recht erfolgreich über die Fernsehbildschirme. Danach ist es ruhig um ihn geworden, vielleicht mal eine Wiederholung seiner Filme wie „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ oder „Der Blonde mit dem blauen Auge“ im Nachmittagsprogramm. Ausgerechnet im Stahnsdorfer Gemeindezentrum kann man Pierre Richard nun wiedertreffen.

Der Kleinmachnower Karikaturist Harald Kretzschmar hat Richard 1983 aufs Papier gebracht. Ein paar Striche mit schwarzem Stift und da ist diese mächtige blonde Haarpracht, das hagere Gesicht und der dackelhafte Blick. Pierre Richard als sympathischer Film-Trottel. Charaktereigenschaften skizzenhaft in die Physiognomie übertragen. Überhöht, ohne vorzuführen, die sanfte Form der Karikatur.

Noch bis zum 31. März ist die Ausstellung „Gesichter der Kunst Gesichter der Komik“ mit knapp 30 Karrikaturen aus Harald Kretzschmars Hand im Erdgeschoss des Gemeindezentrums zu sehen. Seit über 50 Jahren zeichnet Kretzschmar regelmäßig für den Eulenspiegel-Verlag seine bekannten Portraitkarikaturen, er hat zahlreiche Bücher herausgebracht und war immer wieder in Ausstellungen vertreten. In Stahnsdorf sind nun neben den bekannten Schwarzweißzeichnungen, mal mit Kohle, mal mit schwarzem Stift, auch farbige Bilder zu sehen.

Schriftsteller Günter Grass auf grobem Untergrund mit mächtigem Schnauzer, schaut den Betrachter über die linke Schulter mit scheelem, skeptischen Blick an. Unbehauen wirkt das Bild, auf Feinheiten verzichtend. Grass hier ganz der kantige Zeitgenosse, der sich immer wieder gern polternd in politische Debatten einmischt. Der Schauspieler Armin Müller-Stahl, ein Abbild rosiger Freundlichkeit. Rund, weich und liebenswert, mit Seehundblick, der nicht das kleinste Wässerchen trüben kann. Die Schriftstellerin Christa Wolf, schwarz gewandet, gibt sich kassandragleich, ihr prophetischer Blick auf den Betrachter gerichtet und doch durch ihn hindurch. Ihr Mann Gerhard, ganz klein im Schatten dieser Berühmten, hat die Augen geschlossen, als sei nicht zu ertragen, was seine Frau sieht.

Kretzschmars Blick ist ein genauer. Er beherrscht die Kunst des Karikaturisten perfekt, mit wenigen Pinsel- oder Kohlestrichen das Ganze einer Person zu erfassen. Der Betrachter erkennt dabei Bekanntes. Und wenn er sich darauf einlässt, auch wieder Neues. Kretzschmar zeichnet mit Zurückhaltung. Er ist ein Meister der feinen Ironie. Nur einmal geht er in dieser Ausstellung etwas weiter. Da zeichnet er Harald Juhnke mit stechendem Blick, die rechte Hand weist gebieterisch nach vorn und lenkt von seiner linken ab, die er, ein Cognacglas haltend, hinter seinem Rücken versteckt. Da vorn, auf der Bühne, spielt die Musik, scheint Juhnke zu sagen. Was danach passiert: reinste Privatsache. Die Janusköpfigkeit im Showgeschäft bringt Kretzschmar mit ein paar Strichen auf den Punkt. Diese Zeichnung ist im Rahmen verrutscht und hängt nun schief vor dem Betrachter. Fast könnte man glauben, Juhnke habe hier, post mortem, noch einen seiner Streiche gespielt.

Harald Kretzschmar portraitiert und spricht über seine Arbeiten am Freitag, 24. März, im Rahmen seiner Ausstellung ab 19 Uhr im Gemeindezentrum Stahnsdorf, Annastraße 3.

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