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KulTOUR: „Die schäbigsten Ecken sind die schönsten“

Der Maler Hans-Jürgen Brauer öffnet die Türen seines Ateliers

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KulTOURDer Maler Hans-Jürgen Brauer öffnet die Türen seines Ateliers Stahnsdorf – Als der Teltower Maler Hans-Jürgen Brauer in den 70er Jahren die Küste von Dranske auf der Insel Rügen zeichnete, sah er bei gutem Wetter am Horizont manchmal einen weißen Streifen. Das konnte nur die Insel Mön sein, stellte er später beim Blick auf eine Karte fest. Eigentlich nur zwei Fährstunden entfernt, aber doch unerreichbar. Vor drei Jahren stand er nun das erste Mal auf der anderen Seite, hinter ihm markante Kreidefelsen, rund 75 Millionen Jahre alt. Das Meer formte sie zu Klippen, die 120 Meter hinaufragen und vor dieser malerischen Kulisse zogen weiße Segelboote vorbei. In der Ferne sah Brauer wieder einen schmalen Streifen über dem Meer, diesmal war es Rügen. Mit Ölpastellstiften hat er die schroffe Küstenszene auf dem Papier festgehalten, die sich je nach Tageszeit und Licht immer wieder wandelt. Auch Bauernhäuser und ein Hünengrab regten ihn zum Malen an, so wie in den Jahren zuvor die Küste auf der anderen Seite der Ostsee. Der heute 63-Jährige war damals noch Lehrer und reiste fast jedes Jahr an die Küste. Die rund 50 Arbeiten zum Thema Ostseeinseln hat er gerade im Gemeindezentrum Stahnsdorf gezeigt. Darunter Motive von Hiddensee, Usedom, Bornholm und der schwedischen Insel Öland. Am morgigen Sonntag kann man seine Arbeiten im Teltower Atelier besichtigen. Die Arbeiten mit Filzstift, Bleistift oder Pastell entstanden vor Ort, die Ölbilder im Atelier, meist anhand von Skizzen. Fotos nutzt er nur selten als Bildinformation, bestenfalls für Details von Giebeln und Fenstern. „Anhand eines Fotos dann ein schönes Bild malen, das läuft nicht bei mir“, sagt er. Sein Skizzenbuch, das ihn auf allen Reisen begleitet, enthält Farbangaben, ebenso Hinweise auf Lichtstimmungen. Überall ist er mit den Augen auf Motivsuche und scheute sich auch nicht, auf der Rampe von Auschwitz zu zeichnen. Einfach sei es nicht, gesteht er: „Aber man sollte das ruhig einmal tun und sich damit auseinander setzen.“ Geschichtsträchtige Orte zogen ihn schon immer an, erzählt er, weil ein Foto nicht das zeigen könne, was man selbst am Ort erlebe. Manche seiner Bilder sind inzwischen selbst Geschichte geworden, beispielsweise die Ansichten vom Holländischen Viertel in Potsdam aus den 70er Jahren. Damals standen dort noch viele verwinkelte Höfe. „Die ältesten und schäbigsten Ecken sind die schönsten, zumindest zum Malen“. Die malerischen Ecken von einst vermisst er heute: „Wenn es zu schön wird, ist es auch nicht mehr gut.“ Aber das Malen lässt ihn nicht mehr los. Grafik und Aquarell sind die Techniken, denen er sich künftig wieder stärker zuwenden will. Der Platz für seine großformatigen Tafelbilder wird knapper, seit Brauer vor zwei Jahren in Ruhestand ging. Da sei es schon eine angenehme Überraschung, ein Bild zu verkaufen – doch die treffe nach Ausstellungen nur sehr selten ein. Kirsten Graulich Am 1. Mai lädt Brauer in sein Teltower Freiluftatelier in der Potsdamer Straße 75 ein (Garten im Hof).

Kirsten Graulich

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