Potsdam-Mittelmark: Die schlimmen Bilder bleiben im Kopf
Der Teltower Holocaust-Überlebende Norbert Katz sprach im Jugendtreff über seine Zeit im KZ und warnte vor den Neonazis
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Teltow - Stacheldraht, Baracken, viele Menschen. Norbert Katz hat noch alles vor Augen, auch 63 Jahre später: Er war einer von mehr als 100 Juden aus dem Ruhrgebiet, die am 15. Oktober 1944 auf dem Dortmunder Hauptbahnhof standen. Von dort aus wurden sie ins KZ-Sammellager nach Soest deportiert. Der 79-Jährige erinnert sich daran, mit anderen Menschen in einer Reihe gestanden zu haben. SS-Männer riefen die Namen derjenigen auf, die jung und stark waren, die arbeiten konnten. Sie durften hervortreten. „Das war die erste Selektion“, sagt Katz.
Der Name des damals 18-jährigen Tischlergesellen wurde aufgerufen. Viele ältere blieben stehen. „Ich weiß gar nicht, was mit ihnen passiert ist“, sagt Katz. „Ich habe das damals alles gar nicht so ernst genommen, ich war ja noch so jung.“
Gestern saß Katz, der heute in Teltow lebt, am Tisch im Jugendtreff seiner Stadt, um den Gästen des wöchentlichen „Arbeitslosenfrühstücks“ seine Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte eines Holocaust-Überlebenden. Er erzählt sie unaufgeregt, ohne Dramatik. Er spart die schlimmen Bilder aus, als seien sie gar nicht mehr in seinem Kopf. Dabei schreckt er nachts ständig aus dem Schlaf, weil sie ihn noch immer in seinen Albträumen quälen. Aber darüber reden möchte er nicht: „Man weiß ja, dass es in solchen Lagern nicht zimperlich zuging.“ Katz wird mit den anderen aussortierten Häftlingen in einer Kolonne durch Soest bis zum Bahnhof getrieben – von uniformierten SS-Männern und ihren Hunden. Viele der Gefangenen rufen ihre Namen und Adressen – in der Hoffnung, dass Passanten ihre Angehörigen verständigen. Am Bahnhof müssen sie dann in Viehwaggons steigen, die sie bis ins KZ Rothenditmold fahren, einem Nebenlager des KZs Buchenwald. Dort arbeitet Katz bis der Krieg vorbei ist. Seine Mutter und die beiden Brüder findet er wieder, seinen Vater nicht: „Vielleicht ist er im KZ gestorben oder sie haben ihn totgeschlagen.“
Die Zuhörer am Tisch blieben die ganze Zeit stumm, die geschmierten Brötchen haben sie kaum angetastet. In der DDR habe er häufig in den Schulen der Region mit Kindern über die NS-Zeit gesprochen, sagt Katz. Doch seit der Wende sei er dort kaum noch gefragt. Einige der Frühstücksgäste äußern ihr Unverständnis darüber, dass manche nicht aus der Vergangenheit lernen wollen, dass es auch heute Rechte gibt. Und die Strukturen der Neonazis würden immer besser, betont Frauke Postel vom Mobilen Beratungsteam für Demokratie. So würden sich zur Zeit mehrere NPD-Ortsgruppen in Brandenburg gründen. Bei diesem Thema spricht Katz unerwartet laut und gestikuliert: Das Land Brandenburg solle sich in seiner Verfassung zum „Antifaschismus“ bekennen. Dann hätten Polizei und Gerichte eine viel bessere Handhabe gegen die Neo-Nazis, glaubt er. So hat der überzeugte Kommunist mit Gleichgesinnten nach der Wende das erste „Bündnis der Antifaschisten“ in Brandenburg gegründet. just
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