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Arbeiten und Leben im Schloss: Die Schlossherrin Capuths

Das Neue Palais war ihr Mutterhaus, das Schloss Caputh der Höhepunkt ihrer Karriere. Seit 30 Jahren arbeitet Petra Reichelt in Potsdams Schlössern – Einblicke in das Leben einer Kastellanin

Von Eva Schmid

Schwielowsee - Es ist die Ruhe vor dem Ansturm, das letzte Zurechtzuppeln der schweren Vorhänge, der kritische Blick, ob alles an seinem Platz ist. Es ist das Alleinsein im Schloss, das Petra Reichelt liebt, wenn sie ihren letzten Kontrollgang macht, kurz bevor das Landhaus an der Havel geöffnet wird. Seit 18 Jahren ist Reichelt Kastellanin in Caputh, seit 30 Jahren arbeitet sie für die Schlösserstiftung.

Zu den Schlössern kam Reichelt über Umwege: „Ich brauchte damals dringend eine Arbeit“, sagt die heute 51-Jährige und lacht. Die gelernte Schriftsetzerin aus Dresden wollte nach dem Ende ihrer Lehre raus in die Welt. Bis Potsdam ist sie gekommen. Dort hatte sie Freunde, bei denen sie Mitte der 80er-Jahre unterkommen konnte. „Im Neuen Palais haben sie damals dringend Aufsichten gesucht für eine große Ausstellung über Friedrich II.“

Die Aufsicht im "Neuen Palais" war ein Knochenjob

Als Aufsicht zu arbeiten war ein Knochenjob, der schwierigste ihres Lebens – acht Stunden rumstehen, wachsam sein und nicht wegdösen. Reichelt fing dennoch Feuer: „Die Liebe ging sofort los.“ Die Liebe zum Historischen, die spürt man deutlich, wenn die Kastellanin über das Leben und Werk der Hohenzollern spricht. Es wirkt manchmal fast so, als wäre sie im 17. Jahrhundert dabei gewesen – als stille Beobachterin. Wenn Reichelt über die Hohenzollern erzählt, den Vorlieben, die Herrenhäuser einzurichten, über Alltag und Intrigen, blüht die Frau mit dem vollen grauen Haar auf.

Führt sie Schulklassen durch das Caputher Schloss, sagen ihr die Kinder Ähnlichkeiten zu Dorothea, der zweiten Frau des Großen Kurfürsten, nach. Dorothea ließ das Schloss Caputh 1671 verschönern und zeitgenössische italienische und niederländische Kunst an die Havel bringen. „Auch wenn sie als raffgierig in der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts galt, wollen wir ihr historisches Ansehen wieder richtigstellen“, sagt Reichelt und schaut zu einem Bild der Kurfürstin. Eine gewisse Ähnlichkeit ist durchaus erkennbar: beide kinnlanger Haarschnitt, beide dichte graue Haare. Auch der Blick mitunter, etwas schüchtern, und doch keck. Nur die Lockenpracht der Dorothea, die hat Reichelt nicht. „Hatte ich mal in jüngeren Jahren“, sagt sie. Damals begann sie, sich als Schlossführerin ausbilden zu lassen. Die Lizenz in der Tasche, wollte sie mehr. Während sie tagsüber vier bis fünf Führungen machte, studierte sie abends im Fernstudium Museologie.

Museologie-Studium nach dem Feierabend

Heute arbeitet Petra Reichelt in einem der Land- und Randschlösser der Stiftung, wie sie selber sagt. Das Schloss Caputh gehöre eben nicht zu den großen Schiffen, mit denen die Schlösserstiftung die internationalen Massen anziehe. Aber das sei auch gut so, so am Rand und auf dem Land habe man mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Aufs Land kam Reichelt per Zufall: Im Glienicker Schloss führte sie 1987 durch eine Ausstellung und entdeckte dort einen schönen Stich vom Schloss Caputh. Das Idyll am Wasser kannte sie bis dato nicht, wenige Tage später radelte sie zum Templiner See. Vor dem Schloss angekommen, war der Eindruck ernüchternd. Durch den Zaun sah sie den Putz an der Fassade bröckeln. Im Ort konnte ihr niemand was zur Geschichte des Landhauses sagen. „Ich bekam damals auf meine Frage die Antwort: Was, wir haben hier ein Schloss?“

Kurz vor der Wende gehörte das Schloss dem Carl-von-Ossietzky-Werk – in der Zeit wurde in Teilen restauriert. Als das Land 1995 das Schloss kaufte und es der Stiftung übergab, sah Reichelt ihre Zeit gekommen. Auch wenn sie das nicht ganz so offen sagt. Sie drückt es vorsichtig aus: „Ich habe darauf hingewirkt, dass ich die Stelle bekomme.“ Wer Reichelt kennt, weiß, dass sie nicht die Karrieristin ist, meist in Wir- statt in Ich-Form spricht, wenn es über die Arbeit im Schloss geht. Mitte der 90er-Jahre machte sie mit bei den ersten Baustellenführungen durchs Schloss und schwang den Besen, um den Staub und Dreck nach fünf Jahren zu entfernen. „Das war alles so spannend damals, wir haben gefegt und gleichzeitig geforscht.“

Der Job der Schlossverwalterin hat wenig mit Verwalten zu tun

Sie wurde Schlossherrin auf Zeit, sollte die Stelle vorerst nur kommissarisch besetzen. Doch Reichelt machte ihren Job gut, bewarb sich auf die Stelle, die 1999 ausgeschrieben wurde, und bekam sie. Die Arbeit im Schloss sei sehr kreativ, energisch schüttelt Reichelt den Kopf, wenn sie das Wort Schlossverwalterin hört. „Nein, wir verwalten nicht.“ Klar, Papierkram gehöre dazu, aber die wirkliche Arbeit sei viel spannender und vielseitig. Jedes Jahr überlegt sich Reichelt Sonderführungen, um das Schloss und seine ehemaligen Bewohner in neuem Licht zu zeigen. Die Sonderführungen – dieses Jahr geht es um die Blumensymbolik in den Bildern und die Pflanzenwelt im Schlosspark – haben mittlerweile ihr Stammpublikum. Bei den Land- und Randschlössern habe man es mehr mit der örtlichen Bevölkerung als mit Touristen zu tun.

Aus dem Arbeitszimmer der Kastellanin blickt man auf den Schlosshof. Gegenüber, im westlichen Erweiterungsflügel, wohnt Reichelt mit ihrer Familie. Manchmal wünsche sie sich, nicht direkt am Arbeitsplatz zu wohnen, weit fort zu sein, nicht für alle ansprechbar. Doch dann hält sie inne. Es ist der Garten, der Wechsel der Jahreszeiten und die traumhafte Lage, die das Schloss Caputh für sie so lebenswert machen. Ihre Familie fühlt sich dort wohl, besonders die zwei Schulkinder – auch wenn sie regelmäßig ermahnt werden: „Auf dem Rasen dürfen sie nicht spielen, und einen Fußball im Schlosshof will ich schon gar nicht sehen“, sagt Reichelt streng. Das Glas in den historischen Fenstern sei alt. Da spricht die Schlossherrin

Reichelt wohnt mit ihrer Familie im Erweiterungsflügel

Vor einer ganzen Weile, sagt sie nachdenklich, habe sie mal in sich hineingehorcht. Was wäre denn, wenn sie noch mal was anderes ausprobieren würde? Ein anderes Schloss, eine andere Aufgabe? Reichelt schüttelt den Kopf mit ihrer prächtigen Haarmähne, sie lacht. Nein, aus Caputh wolle sie nicht mehr weg. „Ich bin glücklich hier“, sagt die Kastellanin und streicht lächelnd über einen Ausstellungskatalog, auf dem Dorothea zu sehen ist.

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