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Für Selbstpflücker ist der Ertragsausfall im Werderaner Raum zu groß.

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Potsdam-Mittelmark: Die Selbstpflücke fällt aus

Gestern wurde in Werder die Erdbeersaison eröffnet / Das unausgesprochene Motto: „Durchhalten“

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Werder (Havel) - Mit dem derzeitigen Wetter ist Jürgen Deutscher ganz zufrieden: Keine Dauerhitze, endlich Regen – die Erdbeeren wachsen gleichmäßig nach, sagt der Obstbauer aus Werder. Doch es sind viel zu wenige, auch das liegt am Wetter: Ein Großteil der Blüten ist in der Frostnacht zum 5. Mai erfroren. Deutscher rechnet in dieser Saison nur mit einem Viertel der durchschnittlichen Erträge. Das reicht allenfalls für die vier Märkte, auf denen der Obsthof seine Waren verkauft. „Da nutzt kein Jammern, wir werden uns was einfallen lassen“, sagt der Obstbauer. Er bietet sich mit seinem Trekker für Dienstleistungen an.

Gestern war Saisonstart für die Erdbeerernte in Werder, das unausgesprochene Motto lautete „Durchhalten“. Traurigste Botschaft für die Kunden: Die Erdbeer-Selbstpflücke fällt in diesem Jahr fast komplett aus. Höchstens wenn es länger heiß wird und die Früchte gleichzeitig nachwachsen, wollen Jürgen Deutscher und andere Obstbauern mal einen Selbstpflückertag einlegen. Deutscher hat es in diesem Jahr auf der Glindower Platte besonders hart getroffen, wie es gestern hieß. Ein schwacher Trost für die Nachbarn: Der Geschäftsführer des Werderaner Obstbauvereins, Stefan Lindicke, sprach von Erdbeererträgen von „50 Prozent und darunter“ im Werderaner Raum.

Die miesen Erträge lassen die Preise klettern: Mit 2,50 bis 3 Euro pro Pfund-Schale werden sie rund ein Drittel über denen vom vergangenen Jahr liegen, so Lindicke. „Die Ernteverluste sind damit nicht auszugleichen.“ Auch wenn keine Massen da sind, „wir haben Erdbeeren, und die müssen geerntet und verkauft werden“, betonte Lindicke. „Jeder, der jetzt die Obsthöfe besucht, bekommt hier auch frische leckere Erdbeeren aus der Region“, versprach er.

60 bis 100-prozentige Einbußen erwarten die Werderaner Obstbauern auch bei Süßkirschen, Äpfeln und Pflaumen. Ganz Brandenburg ist von der einen Frostnacht gebeutelt: Manfred Kleinert, Obstfachmann vom Landesgartenbauverband, rechnet mit zwölf Millionen Euro Verlusten im Land. Die Hochrechnung gehe auf eine Befragung von 48 Obstbaubetriebe zurück und sei inzwischen gutachterlich untersetzt. Sie beziehe sich ausschließlich auf die Frostschäden.

Ehec sei zumindest für die Direktvermarkter eher ein untergeordnetes Thema, so Kleinert. Manche hätten auf den Märkten und aus den Hofläden sogar zehn bis zwanzig Prozent mehr Gurken und Tomaten als sonst verkauft. Dank der integrierten, „gläsernen“ Produktion sei das Vertrauen der Kunden in die regionale Marktware nicht weggebrochen. Dennoch: Kleinert hofft, dass Land und Bund erkennen, dass für die Obstbauern mit dem Maifrost der „Katastrophenfall“ eingetreten ist. Ohne Notzuschüsse sei die Existenz vieler Betriebe gefährdet. „Letztlich droht gerade in Werder auch der Verlust einer Kulturlandschaft“, so Kleinert, der an den Druck der Energiewirte erinnerte, die auch in der Region nach Flächen suchten. „Werder ohne Blüten – das wäre ein Politikum.“

Thema unter den Obstbauern war gestern auch die Frostvorsorge. Die Frostnacht zum 5. Mai war nicht mal besonders kalt, in Werder teils nur zwei Grad unter Null. Doch da es klar und völlig windstill war, konnte der Frost ungehindert wirken. „Strahlungsfrost“, heißt diese tückische Wetterlage bei den Obstbauern. Einzelne von ihnen, so erzählte gestern der Vorsitzende des Obstbauvereins, Walter Kassin, hätten mit der Frostschutzberegnung Erfolge erzielt. Auf die Plantagen seien große Mengen Wasser versprüht worden, beim Gefrieren wird Wärme frei. Moderne Beregnungsanlagen mit Tropfschläuchen taugen für diese Bewässerungsform allerdings nicht. Die Obstbauern müssten sich 40 000 Euro teure Spritzwagen zulegen. Für solche Investitionen wird es in diesem Jahr nicht reichen. Henry Klix

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