Potsdam-Mittelmark: Die Sicht aus der zweiten Reihe
Stahnsdorfs erste Sitzung der neuen Gemeindevertreter zeigt die Verschiebung der Machtverhältnisse
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Stahnsdorf - „Ich werde den Beschluss rechtlich prüfen lassen“, rief Claus-Peter Martensen, alter und neuer Fraktionschef der CDU, in den Saal, und zwar noch ehe es zur Abstimmung kam. Es sollte die erste Abstimmung der neuen Stahnsdorfer Gemeindevertretung sein, noch auf ihrer konstituierenden Sitzung am Donnerstagabend: Soll der Striewitzweg an die geplante Biomalz-Spange angebunden werden oder nicht? Die CDU ist dafür.
Noch im Oktober soll das Planfeststellungsverfahren für die Biomalzspange beginnen. Anwohner und der Stahnsdorfer Umweltverein fürchten den Schleichverkehr, der künftig über den Striewitzweg zur Spange rollen könnte. Im Wahlkampf hatte Silke Kuck-Schellhammer, Vorsitzende des Umweltvereins und parteilose SPD-Kandidatin, gegen die Anbindung gekämpft. Nun, in ihrer ersten Sitzung als Gemeindevertreterin, sollte der Striewitzweg zum Symbol der neuen Kräfteverhältnisse werden. „Ich rufe alle Vertreter auf, zu prüfen, ob sie sich in dieser Sachfrage für befangen erklären wollen“, hatte Martensen zuvor gewarnt. Sein Blick richtete sich dabei auf Kuck-Schellhammer. Sie wohnt nicht weit vom Striewitzweg entfernt, mahnte die CDU. Mit einem entschiedenem „Nein“ hielt Dietmar Otto, ebenfalls alter und neuer Fraktionschef der SPD, seine nervöse Fraktionskollegin zurück.
„Hier beschwert sich die Fraktion, die über Jahre in der Frage der Befangenheit völlig schmerzfrei war“, rief Otto durch den Saal. Punkt, Beifall und Abstimmung: Zwölf zu Neun zu Zwei. Der Striewitzweg wird nicht an die Spange angeschlossen. Die Machtverhältnisse in Stahnsdorf haben sich gewendet.
Die CDU, die über Jahre die Mehrheit in der Vertretung inne hatte, muss sich an eine neue Rolle gewöhnen. Eine Rolle in der ihr alter Bürgermeister, Gerhard Enser, in der Gemeindevertretung in der zweiten Reihe Platz nehmen muss. Und in der ihr alter Gemeinderats-Vorsitzender Michael Burhenne vom neuen in der hintersten Ecke des Sitzungssaals schon mal übersehen wird.
Neue Gesichter zieren die erste Reihe der Stahnsdorfer Politik, die der 75-jährige Peter Ernst (SPD) als Alterspräsident zu Beginn der Sitzung begrüßte. Rund eine halbe Stunde genoss Ernst die Präsidiums-Perspektive sichtlich, bis er den Vorsitz der Gemeindevertretung an Gerold Maelzer (BfB) übergab. Traditionell erhält die stärkste Fraktion den Zugriff auf dieses Amt. Zusammen mit den zwei Linken Harald Mushack und Beate Koch sind dies die Bürger für Bürger. „Damit zeigt die Wählergruppe ihr wahres Gesicht als Linkspartei“, kritisierte CDU-Chef Martensen vor der Sitzung. Er warf ihnen Wählertäuschung vor.
„Ich möchte, dass wir in der Gemeindevertretung zielorientiert und wertschätzend miteinander umgehen“, verkündete Maelzer, der mit den Stimmen seiner Wählergruppe und der SPD zum Vorsitzenden gewählt wurde. Künftig soll sich nach Beschluss der neuen Gemeindevertretung die Zahl der Mitglieder in den Fachausschüssen auf sechs erhöhen, ebenso wie im Hauptausschuss.
Der soll sich nach dem Willen der SPD auch mit der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses befassen, um den Verbleib der Akten des ehemaligen CDU-Bürgermeisters Gerhard Enser zu klären, die bei Amtsübergabe verschwunden seien. „Dies bitte nicht öffentlich“, mahnte Michael Burhenne noch für die CDU-Fraktion an, ehe auch dieser Vorschlag im Arbeitsalltag der neuen Gemeindevertretung unterging. Tobias Reichelt
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