Potsdam-Mittelmark: Die Tafel reicht nicht mehr
Tee- und Wärmestube musste Bedürftige erstmals wieder nach Hause schicken / Bilanz 2008 vorgelegt
Stand:
Werder (Havel) - Es war Anfang Februar, als die Tee- und Wärmestube erstmals Leute, die sich Lebensmittel von der „Tafel“ abholen wollten, mit leeren Taschen nach Hause schicken musste. „Das tat richtig weh“, sagt die Leiterin der diakonischen Einrichtung, Martina Müller. Seitdem die Tafel vor sieben Jahren eingerichtet wurde, stieg die Zahl der Bedürftigen, die die kostenlose Lebensmittelversorgung in Anspruch nehmen, stetig an. Waren es im Jahr 2005 schon 1800, so lag die Zahl im vorigen Jahr bei 2875 Bedürftigen, wie aus dem Rechenschaftsbericht der Tee- und Wärmestube hervorgeht. Im August ist der Sozialtreff von Glindow ins Werderaner Stadtzentrum gezogen – mit spürbaren Konsequenzen. „Wir haben jede Woche fünf Neuanmeldungen für die Tafel“, so Müller.
Die Potsdamer Tafel versorgt die Sozialeinrichtung jeden Montag und Donnerstag mit gespendeten Lebensmitteln. Durch den Ansturm reichen die Lieferungen nicht mehr aus. „Um den Bedarf zu decken, gab es schon zusätzliche Sponsorenfahrten“, so Müller. Zur Grundversorgung sollen jetzt weitere Gespräche mit potenziellen Sponsoren und dem Rathaus Werder geführt werden. Helfen soll auch die Einrichtung eines Obst- und Gemüsegartens auf dem weitläufigen Grundstück der Tee- und Wärmestube. Für einen kleinen Obolus gibt es hier auch Frühstück und Mittagessen.
Die Tee- und Wärmestube ist Anlaufstelle für Bedürftige in schwierigen Lebenslagen. Im vorigen Jahr hatte sie 4 454 Besucher, acht Prozent mehr als im Jahr 2005. Neben der Lebensmittelausgabe bilden Beratungsgespräche und soziale Gruppenarbeit die Hauptschwerpunkte. Verfahrene Lebenssituationen sind oft mit einem hohen Beratungsaufwand verbunden, manche Klienten werden weitervermittelt, zum Beispiel zur Schuldner- der Suchtberatung. „Die Folgen der Sozialreformen der letzten Jahre werden immer deutlicher sichtbar“, so Müller. „Wir sind der Meinung, dass staatliche Sicherungssysteme mehr Verantwortung übernehmen und die Existenzsicherung im Notfall besser gewährleisten müssen.“
Fünf Klienten konnte im vorigen Jahr ein Job vermittelt werden, viermal mündete die Beratung Jugendlicher in einen Ausbildungsplatz. Und sieben Besucher der Tee- und Wärmestube bekamen durch die Hilfe einen Ein-Euro-Job, so Martina Müller. Doch die Zusammenarbeit mit der Maia gestalte sich oft schwierig. „Wir haben nicht das Gefühl, als gleichwertiger Partner bei der Suche nach Möglichkeiten für das Klientel wahrgenommen zu werden.“ Oft würden Vermittlungsbemühungen sogar ignoriert.
In der Einrichtung ist auch eine ambulante Wohnhilfe tätig, die im vergangenen Jahr 17 Notfälle zu betreuen hatte. Obdachlose werden untergebracht, Zwangsräumungen abgewendet. Am alten Standort der Tee- und Wärmestube in Glindow steht jetzt eine Notunterkunft für Obdachlose oder aus der Haft entlassene Männer zur Verfügung. Henry Klix
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: