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Potsdam-Mittelmark: Die Vermittlerin am Gartenzaun
In Teltow löst die Mediatorin Elisabeth Camin jahrelange Streitfälle in wenigen Minuten
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Teltow - Der Feldstecher wird nur noch für die Vögel benutzt, nicht mehr um die Frau aus dem Nachbarhaus zu beobachten. Auch die Hecke, die auf das Nachbargrundstück wuchert, wird jetzt regelmäßig gestutzt. Selbst das Gerücht, dass der Nachbar aus dem dritten Stock bei der Stasi war, macht nicht mehr weiter die Runde. Jahrelange Streitigkeiten löst die Teltower Schiedsfrau Elisabeth Camin in wenigen Minuten.
„In drei Minuten hat man eine Einigung gefunden, was lange dauert, ist zuerst gegenseitiges Zuhören“, sagt die ausgebildete Mediatorin, die seit fast sechs Jahren ehrenamtlich Nachbarschaftstreitigkeiten in Teltow löst. Alleine würde sie den Zuwachs an Fällen nicht mehr lösen können: „Ohne meinen Stellvertreter wäre ich aufgeschmissen.“ Pro Monat bearbeiten die beiden rund drei Fälle, viele davon müssen gar nicht in dem kleinen Raum im Rathaus, der Teltower Schiedsstelle, verhandelt werden. „Manchmal erreichen wir auch schon viel durch Gespräche vorher, sodass die Anklagenden zufrieden sind“, sagt die 57-Jährige.
Als Camin sich vor sechs Jahren von den Teltower Stadtverordneten auf den Posten wählen ließ, gab es in der Stadt offenbar weniger Streit. „Wir hatten rund 30 Prozent weniger Fälle“, so Camin. Woran der Anstieg liegt, darüber lasse sich nur munkeln. Camin vermutet, dass viele durch Fernsehsendungen erfahren haben, dass man bei Nachbarschaftsstreitigkeiten einen Schlichter einschalten kann. In Brandenburg landen derartigen Streitigkeiten automatisch vor Schiedsstellen, damit sollen die Gerichte entlastet werden. Nur wenn die Schlichter keine Lösung in einem Streit herbeiführen können, darf vor Richtern weiter gestritten werden.
Auch bei Verleumdung, Beleidigung und übler Nachrede werde Camin um Hilfe gebeten. „Das hängt alles eng zusammen, Nachbarschaftsstreitigkeiten enden meist in gegenseitigen Beleidigungen.“ Besonders der Stasivorwurf sei als Verleumdung recht beliebt. Klagen würden zudem meist „fitte Rentner“, wie die Schiedsfrau sie nennt. In Wohnhäusern sind ihnen die Kinder oft zu laut. „Bei Streit am Gartenzaun ist das Problem meist so, dass der eine einen ordentlichen Garten, der andere eher einen naturnahen hat“, so Camin. Dann gehe das Gezanke bei Kleinigkeiten los.
Um die Streithähne miteinander zu versöhnen, hat Camin ihre ganz eigenen Methoden: „Es geht meist nicht darum, was sie mir in dem Moment erzählen – es geht um die Vorgeschichte, die wie ein Riesen-Eisberg unter der Wasseroberfläche liegt.“ Treffen beide Parteien aufeinander, so hagele es gegenseitige Vorwürfe. Um den Überblick zu bewahren, stellt Camin gleich zu Beginn eine einfache Frage: „Wann war der Moment, als Sie über den anderen angefangen haben, schlecht zu denken?“ Das führe meist erst mal zu Schweigen. Dann erklärt sie, dass mit den ersten negativen Gedanken unsere Gefühle für den anderen kippen. Den Nachbarn findet man plötzlich nervig, unerträglich, blöd. „Und letztlich bestimmen dann unsere Gefühle unser Handeln.“ Diesen Zusammenhang verstünden die meisten ihrer Klienten auf Anhieb. Es müsse ihr gelingen, dass die Nachbarn über ihre Emotionen und Bedürfnisse reden. Das Problem sei in fast allen Fällen das Gleiche: Durch den Streit am Gartenzaun fühlen sich einer oder beide Nachbarn in ihrer Würde verletzt. „Schaffen sie es, sich das einzugestehen und offen darüber zu reden, dann ist der Fall gelöst“, so die Schlichterin.
Um sicherzugehen, dass bei der nächsten Kleinigkeit der Zwist nicht wieder ausbricht, vereinbart Camin auch gleich, wie in so einem Fall vorzugehen ist. Wenn Nachbarn nach der Verhandlung immer noch nicht miteinander reden, schreiben sie sich wenigstens Zettel. Verabredet wird auch, wie schnell der Angeklagte darauf reagieren muss. Doch schweigende Nachbarn gebe es selten nach den Verhandlungen, meist würden die Lösungen von den Streithähnen sogar selbst kommen. Der Wille zur Einsicht sei plötzlich da. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Camin gerne ihren Lieblingsspruch bringt: „Jenseits von richtig und falsch, dort treffen wir uns.“ Eva Schmid
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