Potsdam-Mittelmark: Die Wahl gerafft
Stimmen zählen bei Dauerregen – Aufregung im Michendorfer „Apfelbaum“ – Mittelmärkische Wahltagssplitter
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Stimmen zählen bei Dauerregen – Aufregung im Michendorfer „Apfelbaum“ – Mittelmärkische Wahltagssplitter Christel und Hans-Georg Schufft sind die ersten, die vor dem Wahllokal in der Wilhelmshorster Alten Turnhalle stehen und warten, dass sie ihrer Bürgerpflicht nachkommen dürfen. Es ist 7.54 Uhr, zu Hause sind noch Gäste der Party in der vergangenen Nacht. Deshalb ist man gleich früh gekommen. Christel Schufft feiert heute ihren 59. Geburtstag. „Bei uns herrscht auch zu Hause Demokratie“, sagt Hans-Georg Schufft. Nein, man wähle nicht dieselben Kandidaten. Inzwischen haben sich noch drei Andere zu den Wartenden gesellt. Punkt acht wird ins Wahllokal gebeten. Erst nach 11 Minuten ist Ehepaar Schufft aus der Wahlkabine raus – obwohl es seine Kandidaten schon kannte. Vier Wahlzettel sind auf die Urnen zu verteilen. Viermal muss das A2-Blatt zur Gemeindevertreterwahl gefaltet werden, es passt kaum durch den Schlitz. In Teltow müssen noch am Vormittag wegen der Größe und Anzahl der Wahlzettel Wahlurnen nachgeliefert werden. Im strömenden Regen nutzt in der Potsdamer Straße in Stahnsdorf ein Jogger den Urnengang zum Sonntagmorgenläufchen. Es ist 9.20 Uhr, der Bio-Rhythmus ist nach der Zeitumstellung vielleicht außer Takt: Doch die Wahlbenachrichtigung in der Hand, die Kapuze auf dem Kopf und das Stimmlokal vor Augen ist er zielstrebig unterwegs. Die Altstadt von Beelitz ist fast leer gefegt. Es ist 10.25 Uhr und nieselt. In der Brauerstraße fegt ein Mann in Gartenmontur das Laub vor seinem Haus. Er grüßt einen Nachbarn, stützt sich am Besen ab: Um 7 Uhr habe er vor dem Wahllokal gestanden: „Iss allet dicht jewesen.“ Mensch, die Zeitumstellung! Ein paar Dutzend Meter weiter im Wahllokal „Grundschule“ haben inzwischen 76 von 946 Wählern ihre Stimmzettel abgegeben. Eine weißhaarige Dame kommt aus der Wahlkabine, nimmt den Regenschirm und hinterlässt noch ein paar Worte des Bedauerns für die vier Wahlhelferinnen. „Die haben ganz schon was zu zählen.“ Damals, als sie in den 50er Jahren das gleiche machte, sei es einfacher gewesen. Mancher wird es als Entschuldigung nehmen, seiner Wahlurne ferngeblieben zu sein: Einkaufsstress. Jedenfalls ist es um 10.30 Uhr auf dem Parkplatz eines Teltower Pflanzen-Marktes, der auch sonntags geöffnet hat, proppevoll. Irgendwie muss man sich bei diesem miesen Wetter ja die Zeit vertreiben. Und vielleicht hat den einen oder anderen das Grün, Rot, Gelb oder Schwarz der Pflanzen und Blumen noch animiert, wählen zu gehen. Hauptperson im Caputher Wahllokal „Kita Straße der Einheit“ ist um 11.20 Uhr der 12 Wochen alte Mailo. Er springt Wahlhelferin Claudia Beuster auf den Schoß und leckt ihre Finger. „Der erste Jungwähler heute“, witzelt sie, während sie das Köpfchen streichelt. Frauchen steckt ihren Wahlschein in die Urne und zieht Mailo vorsichtig an der Leine zurück. „Nicht hier hinpuschen“, bittet sie ihn inständig. Die künftige Größe ist dem quirligen Labradorwelpen nicht anzusehen. Darüber hinaus geht es im Wahllokal ruhig zu. 10 Prozent Wahlbeteiligung zu diesem Zeitpunkt, der Beelitzer Trend bestätigt sich. Kurz vor 14 Uhr der aufgeregte Anruf einer Michendorferin in der Belziger Wahlzentrale. Im Wahllokal „Zum Apfelbaum“ sei die geheime Wahl gefährdet. Bei großem Andrang hätte man dort die Wähler gefragt, ob sie ihre Stimmzettel nicht auch außerhalb der Wahlkabine ausfüllen könnten. Kreiswahlleiterin Eveline Vogel ruft sofort in Michendorf an, fordert die strikte Einhaltung der Vorschriften. Ihr wird erklärt, dass es neben den sieben Kabinen im Wahllokal auch zwei abseits stehende und durch einen Pfeiler getrennte Tische gibt, die in diesem Fall einem Wähler angeboten wurden. Der Kreiswahlleiterin wird versichert, dass im „Apfelbaum“ nur noch die Wahlkabinen genutzt werden. Das sollte das einzige Vorkommnis bleiben, bei dem die Kreiswahlleiterin in den nächsten Stunden bis Schließung der Wahllokale einschreiten muss. Teltows Wahlleiter Thomas Koriath war am frühen Nachmittag in seinen 14 Wahllokalen unterwegs und hat sich nach der Beteiligung erkundigt. Um 14.30 Uhr gibt er den Zwischenstand von 13 Uhr durchs Telefon: Etwa 20 Prozent der rund 14500 Teltower haben zur „Halbzeit“ ihre Favoriten bestimmt. Ruhlsdorf lag mit 25 Prozent etwas darüber, in einigen Wahllokalen waren es dagegen nur 15 Prozent. „Die Erfahrungen sagen, dass es bis zum Abend doppelt so viele werden“, sagt Koriath. In Michendorf und Nuthetal scheinen unterdessen die Bürgermeisterwahlen zu greifen: Im neuen Ortsteil Michendorf liegt die Beteiligung um 14 Uhr bei etwa 28 Prozent, in Nuthetal nach ersten Stichproben bei satten 40 Prozent. Die PDS Teltow hat von 10 bis 16 Uhr einen Fahrdienst eingerichtet, um ältere Bürger zu ihren Wahllokalen zu fahren. Um 16 Uhr konstatiert PDS-Mann Peter Michalke: Der Fahrdienst hat sich nicht bewährt. Lediglich am Vormittag gab es zwei Anmeldungen. Doch selbst da kam das PDS-Auto zu spät. In einem Fall war es ein Nachbar, im anderen der Sohn, der die Basisgruppen-Dienstleistung überflüssig machte. Mit der fliegenden Wahlurne, wie sie zu DDR-Zeichen üblich war, will Michalke den Service aber nicht verglichen wissen. Das kampferprobte Mittel gibt es seit 13 Jahren nicht mehr. Es ist ein denkwürdiges Stelldichein an der Kreuzung Potsdamer Straße/ Straße der Einheit in Langerwisch. Der Regen hat um 16.30 Uhr kurz aufgehört. Jetzt sind die Bürgermeisterkandidaten durchgeweicht. Roswitha Huth hat ein paar nasse Falten im Gesicht, bei Eckhard Reinkensmeier sind es eher Flecken. Von der anderen Straßenseite schickt Reinkensmeier der etwas unsicher dreinblickenden PDS-Frau ein Lächeln hinüber. Bei Cornelia Jung tropft rote Farbe herunter, Gerd Sommerlattes Rückseite ist gewölbt. Die Wahlplakate haben den Dauerregen nicht gut überstanden. Gegen 17.40 Uhr eilen die letzten Petzower Wähler durch die Dunkelheit in das Schloss. Im Flur des altersschwachen Gebäudes riecht es nach Essen. In einem kleinen Nebenraum bereitet sich Leiterin des Wahllokals, Elke Willberg, mit ihrer Mannschaft auf die Auszählung der Stimmen vor. Die Wahlhelfer sind nicht unzufrieden. Von den 309 wahlberechtigten Petzowern hat ungefähr die Hälfte den Weg ins Schloss gefunden. In anderen Werderaner Wahllokalen, so ist zu hören, sei die Beteiligung nicht so gut gewesen. Schwierigkeiten hatten einige Wähler mit den riesigen Scheinen für die Stadtverordnetenversammlung. Gespannt ist man in Petzow vor allem auf die die Wahl des Ortsbeirates. Hier wird es künftig nur drei statt fünf Sitze geben. Wer wird auf der Strecke bleiben? Ab 18 Uhr laufen die zehn Computer und ebenso viele Faxgeräte in der Kreiswahlzentrale am Papendorfer Weg in Belzig auf Hochtouren. 31 Mitarbeiter warten darauf, die ersten Ergebnisse aus den Wahllokalen einzugeben. Der aktuelle Stand wird im Großformat an die Wand projiziert. Mit Kaffee und belegten Brötchen haben sich die Mitarbeiter des Landratsamtes auf eine lange Nacht vorbereitet. Vor 2 oder 3 Uhr wird keiner nach Hause kommen. hkx/ldg/pek/kig
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