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KulTOUR: Die Welt will betrogen sein!

Kultur-Premiere für den Hof der Posthalterei mit gelungener „Tartuffe“-Inszenierung

Stand:

Beelitz - Abgesehen von ein paar Anlässen zum Spargelfest war die Open-Air-Aufführung des Wandertheaters „Marameo“ am Samstag eine Art Premiere für den ausgebauten Hof der Alten Posthalterei in Beelitz. Man hat aus zwei abbruchreifen Hinterhöfen einen gemacht, alles nach historischer Vorgabe wieder gemauert und hergerichtet. In den mit frischem Knirschkies aufgefüllten Boden wurden fünf junggewachsene „A-Hörnchen“ gepflanzt, mit Rundbänken drumherum, und statt fester Sitzreihen entschied man sich für Tische und Stühle gleichsam in „höfischer Diaspora“, da sitzt man für sich und trotzdem zusammen. Ein idealer Ort für Beelitzens Freiluft-Kultur in spe.

Wie dieser historische Locus mit einer fast durchgehend brillanten „Tartuffe“-Inszenierung molierenah „geweiht“ wurde, so war er für die Theater-Gruppe die letzte Station eines interessanten, und weitgehend zufriedenstellenden „Experiments“. Die Brandenburgische AG „Städte mit historischem Stadtkern“ wollte nämlich dieselben behufs einer Ausschreibung mit Leben erfüllen, mit Theater. Den Zuschlag erhielt die erfolgreiche „Tartuffe“-Inszenierung von Andreas Lüder aus dem Jahr 2009. Zu spielen war in sieben Orten, darunter in Beeskow, Bad Freienwalde, Gransee, aber auch in Brandenburg/Havel sowie im stets verregneten Dahme.

Wer nun bei ruhigem Sommerwetter miterlebte, wie sich der frömmelnde Herr Tartuffe (Wolfgang Mondon mit einer Meisterleistung) das ganze Haus des vermögenden Bürgers Orgon (Jörg Büttner) mit allem lebenden und toten Inventar unter den Nagel reißt, bis die verarmte Familie schließlich auf Koffern sitzt, und eine Off-Trompete den Ultrimo der ganzen Komödie ausruft, wird sein Kommen nicht bereut haben. Er wird Elmires (Carina Drews) Seufzer nicht vergessen, wonach frömmelnde Weltanklage und Zweifelhaftigkeit der Person im direkten Proporz stehen. Tartuffes letztes Wort im Stück ist „Die Welt will betrogen werden!“

„Marameo“, was im Sine der Commedia dell arte soviel wie „jemandem eine Nase drehen“ bedeutet, spielte historisch gewandet vor einer dreitürigen Stellwand mit Goldstern-Tapete. Und wer drehte da wem eine Nase? Fast jeder jedem: Vor allem die kesse Dienstmagd Dorine (Sterica Rein), sie wollte verhindern, denn auch, um dass Orgon dem frömmelnden Betrüger Taftuffe seine einzige Tochter Marianne (Denise Kiesow) vermacht. Ihr selbstgewählter Verehrer Cleante (Marlon Kreft) war zu arm und zu schwach, um sich durchzusetzen. Auch Tartuffe „drehte“, betrog die Männer, griff heißer Lenden nach allen drei Frauen. Erst das sehr körperbetonte Opfer seiner eigenen, Elmire, öffnete dem verblendeten Orgon die Augen, doch zu spät: Die Familie hatte Haus und Hof verloren.

Es war eine Freude, wie kräftig Lüder seine Personage gegeneinanderhetzte, wie er Situationen bis zum letzten Moment auskostete, kleine Aktualitäten einbaute. Das lief wie von selbst, und sehr gut! Nur der Schluss blieb theatralisch wieder zu blass. Ein deus ex machina verkündet die Verhaftung Tartuffes, doch jedermann weiß, auch diesmal wird der Gewitzte entkommen und ein neues Opfer finden. Wo schon, in Beelitz natürlich, Bürger, gebt acht!

Alles gelungen: Die „kommunale“ Hofpremiere, Marameos Abschiedsvorstellung mit zufriedenen Besuchern. Gute Aussichten, dass es so weiter geht mit „Open Air“ in Beelitz.

Gerold Paul

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