zum Hauptinhalt

KulTOUR: Die Wiese gehört mir

Kleine Bühne Michendorf mit Tschechows Einaktern

Stand:

Michendorf - Mit Anton Tschechows humorvollen Einaktern ist nicht zu spaßen. So heiter und grotesk sie auch sein mögen, so gelten sie den Theaterleuten ob ihrer tief psychologischen Hintergründigkeit auch als „sauschwer“. Es steckt eben nicht nur in der Politik stets mehr dahinter, als es scheint. Die Kleine Bühne Michendorf, seit ihrem Abgang aus Siegfried Patzers Festspielhaus mehr oder weniger mit Leben und Überleben beschäftigt, versucht sich jetzt an Tschechows Einakter-Kultur. Derzeit mit „Der Bär“ und „Der Heiratsantrag“, nächstes Jahr soll „Die Heirat“ dieses Triptychon unter der Regie von Christine Hofer vollenden.

Natürlich drückt sie einem ohnehin spielwilden Ensemble ihren komisch-heiteren Stempel auf. Das war in Michendorf bereits bei „Altweiberfrühling“, „Bezahlt wird nicht“ oder „Der Gott des Gemetzels“ der Fall. Auch der gute alte Russe Anton, Arzt und Schriftsteller, der bis 1904 lebte, hat davon abbekommen. Im Asyl „Zum Apfelbaum“ gedeiht jetzt eine despektierliche Lesart dieser kleinen, um 1888 geschriebenen Klassiker.

„Der Bär“ beschreibt eine geniale Umkehr-Situation: Witwe Popowa (Birgit Schneider) trauert angeblich um ihren verstorbenen und gar ungetreuen Mann, bis ein benachbarter Gutsbesitzer (Marcus Hagen Heinemann) erscheint, der schuldiges Geld einfordert, sonst geht er selbst pleite. Nachdem sie (und ihre Bedienstete Marlies Hanowski) in diesem unauflöslichen Streit wacker gegengehalten hat, wird ein Duell gerade noch verhindert, weil dieses Rauhbein urplötzlich in Liebe zu ihr entbrennt. Sie indes vergisst in weiblicher Schwäche die lebenslänglich auferlegte Trauer. War alles nur Schein? Wie immer auch, zum Finale ein deftiges Happy End: „Liebe gut – alles gut“.

Wieder spielt das Team auf einer schlichten Vorbühne, darauf nur ein kleiner Birkenholztisch steht. Auf der Hauptbühne ist ein gewaltiger Bilderrahmen montiert. Das Licht geht aus, man sieht, in der Manier des schwarz-weißen Stummfilms um 1910, was mit dem Gutsbesitzer am Grab des ungetreuen Gatten sonst noch passierte. Auch pantomimisches Schattenspiel ist möglich. Ein gelungener Beitrag zum „multimedialen Theater“!

Diese geniale Idee wird auch im zweiten Spiel, dem „Heiratsantrag“, beibehalten. Hier scheitert derselbe fast an einem Streit um die Bullenwiese. Die kraftvoll aufspielende Braut in spe (Karina Lehmann) erweist sich hierin als echte Xanthippe, indes der schüchterne Bräutigam (Felix Zühlke) fast am Herzschlag stirbt. Kaum überzeugend, weil ohne Untertext, der Brautvater (Klaus-Dieter Becker), welchem die Regie dann auch noch eine Schnapsflasche in die Hand gibt.

Und damit wäre man schon beim Spiel selbst. Regisseurin Christine Hofer hat Figuren und Ensemble auch in dieser Inszenierung gehörig Kraft zum Leben eingehaucht. Auch Tschechow, dem Melancholischen. So ist etwas daraus geworden, was man selten bei seinen Einaktern sieht: kein muffig-braves Spiel, sondern ein unbeschwert-burleskes mit fast zu vielen Einfällen. Die Schattenseite vom Schattenspiel und wohl auch davor: Es wird mal wieder allzu sehr chargiert. So bekommt man zwar das Publikum auf seine Seite, dafür geht die Balance zur tragischen Seite der Komik verloren.

Zuletzt schaut das ganze Ensemble den bereits produzierten „Vor-Film“ zum Einakter „Die Hochzeit“ an, der vom Februar, hübsche Idee, und wird, fast ohne Erdenschwere, ganz heiteren Herzens entlassen. Gerold Paul

Weitere Termine im Zentrum „Zum Apfelbaum“ am 9. und 22. Oktober, 19.30 Uhr

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })