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Aus dem GERICHTSSAAL: „Die wollten mich einbuddeln!“

Opfer und Angeklagter offensichtlich von einem Dritten unter Druck gesetzt

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Aus dem GERICHTSSAALOpfer und Angeklagter offensichtlich von einem Dritten unter Druck gesetzt Werder · Glindow – Die Richterin zieht Parallelen zum Potzlow-Prozess. In dem kleinen Ort wurde der Jugendliche Marinus Sch. von mehreren Angreifern brutal gefoltert, schließlich getötet und in einer Jauchegrube versenkt, nur weil er andere Musik hörte und sich anders kleidete als die anderen. Auch Jonas J.* (18) fürchtet sich vor einer Gruppe Glindower, die ihn verfolgt, bedroht, am Abend des 25. März 2003 gar zusammenschlug, dann mehrere Meter weit zu einer Baumgruppe schleifte. „Die wollten mich einbuddeln“, ist sich der junge Mann sicher. Mehr will er nicht äußern. „Haben Sie auch heute Angst?“, fragt die Vorsitzende. Jonas nickt. Der Glindower David D.* (24) – angeklagt wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung – muss den Gerichtssaal vorübergehend verlassen. „Sonst besteht die Gefahr, dass der Zeuge eventuell nicht die Wahrheit sagt“, begründet die Richterin die Maßnahme. Auch als sein Peiniger auf dem Flur wartet, bleiben die Aussagen von Jonas J. zunächst vage. Gab er bei der Polizei an, von mehreren aus der Gang verprügelt worden zu sein, kann er sich plötzlich nur noch an Faustschläge des Angeklagten erinnern. Schließlich gibt er zu, vor der Verhandlung von einem gewissen Paul* – er gehört ebenfalls zu der Glindower Clique – ganz massiv unter Druck gesetzt worden zu sein. „Wie war es nun wirklich?“, hakt die Staatsanwältin nach. Jonas gibt sich einen Ruck. „Ich bin auch von Matthias M. * ins Gesicht geschlagen worden. Alexander A.* wollte mich treten. Anschließend sei er „von den Leuten“ ins Gebüsch gezerrt worden. Das Opfer erlitt durch den Übergriff eine Platzwunde am Kopf, Hämatome sowie diverse Hautabschürfungen am gesamten Körper. Eine Imbissbesitzerin verhinderte vielleicht Schlimmeres. Sie vernahm in der Nähe Stimmen. „Ich rief, was ist da los? Dann sah ich mehrere Personen wegrennen“, so die Frau im Zeugenstand. Jonas J. habe etwas abseits am Boden gelegen. „Jonas wollte die Karre von einem Kumpel klauen“, begründet der Angeklagte David D. den Angriff auf den Jugendlichen. Nein, gesehen habe er das nicht, aber jemand, dessen Namen er nicht nennen wolle, habe es ihm gesagt. Betrunken, wie er an jenem Abend gewesen sei, habe er dem potenziellen Langfinger dann „ein paar gegeben“. Auch Matthias und Alexander seien der Meinung gewesen, Jonas habe eine Abreibung nötig. „Ich habe ihn zwei- bis dreimal mit der Faust ins Gesicht gehauen. Matthias hat auch zugeschlagen. Aber Alexander hat 100-prozentig nichts gemacht“, beteuert der wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis Vorbestrafte. Sie könne sich des Gefühls nicht erwehren, dass auch der Angeklagte von dem ominösen Paul beeinflusst worden sei, mutmaßt die Vorsitzende. Im Ermittlungsverfahren habe er den Beitrag seiner zwei Mittäter – sie werden sich demnächst ebenfalls vor Gericht verantworten müssen – detailliert geschildert. Daniel D. wird zu sieben Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung verurteilt. Außerdem muss er 100 Stunden unentgeltlich arbeiten. (*Namen geändert.) Hoga

Hoga

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