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Potsdam-Mittelmark: Die Zukunft für Mei Xue

China ist für viele junge Deutsche ein Land mit Perspektiven – ein Beispiel aus Werder (Havel)

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Werder - Luo Mei Xue – so klingt es, wenn in China „Michelle Lorenz“ übersetzt wird. Die 22-jährige Werderanerin wird die Namensschöpfung noch öfter brauchen – für sie steht fest, dass sich ihre Zukunft zwischen Deutschland und China abspielen wird. In der elften Klasse am Haeckel-Gymnasium war ihre Berufsentscheidung noch offen, bis ihre Oma sie mit auf eine dreiwöchige touristische Reise in die Volksrepublik nahm. Bei zwei weiteren Aufenthalten hat Michelle Lorenz das Land auch aus anderen Perspektiven erlebt, jetzt soll es für ein halbes Jahr nach Hainan gehen.

Inzwischen studiert sie im sechsten Semester Ostasienwissenschaften in Duisburg, kann sich dank intensiven Sprachtrainings in der Alltagssprache verständigen und weiß, dass sie nach dem Studium eine Unternehmensberatung gründen wird. Unbezahlte Praktika, schwierige Studiumsfinanzierung, schlechte berufliche Perspektiven – für sie und ihre Kommilitonen sind die Hindernisse ihrer Generation kaum ein Thema. Während das chinesische Bruttoinlandprodukt jährlich um über zehn Prozent wächst, hat sich auch die Zahl der Studenten am renommierten Duisburger Ostasien-Institut in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt, viele von ihnen spezialisieren sich auf die chinesische Wirtschaft.

„Ich habe schon mehrere Praktika angeboten bekommen, als ich noch kaum chinesisch konnte“, sagt Michelle Lorenz. Daimler-Praktikanten in Peking hat sie sogar im Penthouse logieren sehen. Michelle Lorenz hat sich für die Wilfried Scholz Unternehmensberatung in Grevenbroich entschieden, wird auch nach ihrem Praktikum für Projekte hinzugezogen, wie derzeit einer Präsentation zehn deutscher Künstler zu den olympischen Spielen 2008 in Peking.

Nach mehrwöchigen Sprachkursen an den Universitäten in Peking und Dalian hat Michelle Lorenz auch andere Landesteile kennengelernt: die Provinzhauptstadt Jinan zu Beispiel, wo man nach einem Jahr einen besonderen Smog-Husten bekommen soll. Sie zeigt Fotos von einem Tempelberg, unter dem die Stadt im Qualm verschwindet. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung hat überall seine Spuren hinterlassen: In Dalian sei direkt neben dem weißen Strand eine Müllkippe entstanden, die Altstadtteile von Peking sind inzwischen fast verschwunden, die Taxi-Preise klettern. Autos sind unterwegs, denen man deutlich ansieht, dass sie nach deutschen Vorbildern gebaut wurden. Geistiger Diebstahl wie beim Transrapid sei für die Chinesen völlig in Ordnung, „sie sind stolz darauf, dass sie die Dinge aus Europa nachbauen und mithalten können“, weiß Michelle Lorenz aus Gesprächen. Ein Vertrauensproblem, dass den Wirtschaftsbeziehungen noch im Wege steht.

Durch ihre Sprachkenntnisse ist sie den Menschen auf der Straße näher gekommen, wurde in der Pekinger Altstadt sogar einmal von einer Oma eingeladen, mit der sie über das Aussehen chinesischer Männer gewitzelt hatte. Vor allem hat sie aber Kontakte zu chinesischen Studenten knüpfen können, als sie Sprachenunterricht in Dalian und Peking nahm. Es sind in erster Linie Studenten aus wohlhabenden Familien mit Europaerfahrung, die keine Berührungsängste zu Ausländern haben. „Manche schmücken sich regelrecht mit ihren europäischen Freunden, lassen sich mit ihnen in teuren Restaurants sehen.“ Trotz neuester Handymodelle, europäischer Mode und Coca Cola gäbe es aber noch Tabu-Themen wie Tibet und Taiwan, spüre man zum Beispiel an Japan-feindlichen Äußerungen die ideologisch gefärbte Weltsicht.

Die wirtschaftliche Aufbruchstimmung, die fremde Kultur, Geschichte und Architektur, chinesische Gastfreundschaft sowie nicht zuletzt die chinesische Küche – Michelle Lorenz hat sich, wie für viele ihrer Kommilitonen, entschieden. Und auch ihr neuer Name gibt ihr Grund für weitere Reisen: Die Ausländer bekommen ihn an den Unis verpasst – mit kleinen lyrischen Abwandlungen: „Mei Xue“ heißt „schöner Schnee“.

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