Ungewöhnliche Haustiere: Die Zwergesel in der Garage
Ein Stahnsdorfer Paar hat sich mit speziellen Haustieren einen Traum erfüllt. Jetzt gibt es Ärger mit der Bauaufsicht. Der Vorwurf: fehlende Rücksichtnahme.
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Stahnsdorf - Drei Esel, ein Mensch und eine Katze. Mit schweren Schritten klappert die Karawane über den Stahnsdorfer Meisenweg. Vorbei an staunenden Beobachtern, bunten Einfamilienhäusern und glänzenden Wagen. „Esel brauchen Abwechslung“, sagt Joachim Petermann. Der Studienrat im Ruhestand führt seine Gefolgschaft vom Fressausflug bei den Nachbarn zurück nach Hause. „Kommt, hier wartet wieder Futter“, ruft Petermann und stößt das Tor zum Garten auf. Wie auf Befehl gehen Lissy, Flora und Goliath Schnauze an Schwanz hinterher.
Vor knapp einem Jahr haben sich die Stahnsdorfer Joachim Petermann und Gabriele Kewitz einen Haustier-Wunsch erfüllt: Zwergesel. Nach reiflicher Überlegung gestalteten sie ihren Garten eselgerecht um. Aus einer Doppelgarage wurde ein Stall. Zwei Unterstände entstanden draußen, unter denen Heu verstreut ist. Aus Robinienholz haben sie großzügige Gatter gebaut, ein Eselparadies zwischen Tannen und Obstbäumen. Nachbarn und Kinder sind begeistert, wenn das Paar mit den treuen Gefährten zu Wanderungen aufbricht: durch den Wald, das Dorf, zum Rasenmähen bei Freunden oder zum Einkaufen. Jetzt droht die Idylle zu zerbrechen: Der Landkreis hat der Umnutzung der Garage zum Stall widersprochen. Eselhaltung in einem reinen Wohngebiet sei nicht erlaubt, teilte die Behörde mit. Seitdem bricht die Bürokratie über Joachim Petermann und Gabriele Kewitz ein – Stahnsdorf könnte seine Esel verlieren.
Gabriele Kewitz lässt den Aktenordner auf den Küchentisch rumsen. In kurzer Zeit haben sich Dutzende Unterlagen, Schreiben der Behörden, Bittbriefe, Unterstützerschreiben, Faxe der Anwälte und E-Mails angesammelt. „Wir wollten mit den Eseln unser Leben entschleunigen“, sagt die 59-jährige Kinderärztin. Erschöpft setzt sich die zierliche Frau auf einen schmalen Holzstuhl und reibt sich die Stirn. Das Gegenteil sei eingetroffen. Plötzlich gehe alles drunter und drüber.
Verquast, aber ummissverständlich teilte die Bauaufsicht des Landkreises mit: „Die Eselhaltung entspricht nicht der nachbarlichen Umgebung und den dort vorzufindenden üblichen Lebensgewohnheiten.“ Die Langohren im Garten würden gegen das „Rücksichtnahmegebot“ verstoßen. Selbst die Gemeinde habe der Umnutzung der Garage nicht zugestimmt. Käfige für Ziervögel, Kaninchen oder Rassegeflügel wären erlaubt, Ställe für Nutztiere in Wohngebieten nicht.
Fehlende Rücksichtnahme? „Wir wollen niemanden belästigen“, sagt Gabriele Kewitz und rückt ihre Brille zurecht. Das Paar weiß, dass nicht alle Nachbarn mit den Eseln einverstanden sind. Jeden Morgen um sechs Uhr stapft Kewitz deshalb durch ihren Garten, um Eselmist einzusammeln, bevor er stinkt. Auch mittags und abends werden Esel-Äpfel eingesammelt. Sie landen im Komposter oder werden als Dünger verschenkt. Damit die Tiere den Rosen der Nachbarn nicht zu nahe kommen, wurde ihr Gatter umgebaut. Nun gibt es einen Sicherheitsabstand zum Zaun, der soll sogar noch größer werden. Direkt am Haus sollen die Tiere künftig unterkommen, ohne Stall, wenn es so gewollt ist, sagt Kewitz. Schon jetzt schlafen die Esel nur unter einem der Unterstände. Und wenn all das nicht reicht, um die Gemüter zu besänftigen? „Dann werden wir irgendwohin gehen, wo die Esel geduldet sind.“
Stahnsdorf ohne Eselfamilie? Für viele Nachbarn ist das undenkbar. Sie haben Briefe ans Rathaus, das Landratsamt und auch die PNN geschrieben. „Das Iahh ist – fast möchten wir sagen leider – nicht häufig zu hören“, heißt es darin. Joachim Petermann freut sich über die Unterstützung. Auch auf der Straße. Kommen die Esel, halten Autofahrer an und springen aus dem Wagen, um die Tiere zu streicheln. Eltern holen ihre Kinder, dickbäuchige Männer sprinten los, um einen Eimer Wasser zu holen. „Die Leute sind begeistert“, sagt Petermann. An einem Sonntag trafen sich gleich 15 Besucher am Eselgatter. „Wir haben viele neue Freunde gewonnen.“ Kinder, aber auch Erwachsene interessierten sich für die Tiere und begleiten die Karawane. In Zukunft wollen Petermann und Kewitz deshalb mit ihren Tieren auch Kindergärten, Schulen, den Jugendclub Clab oder das Seniorenheim besuchen.
Geritten werden die Esel nicht. Bald sollen sie aber eine Kutsche ziehen. Gabriele Kewitz hat ihren Kutschenführerschein abgelegt und im Sommer sollen dann die zwei großen Esel ein dreiwöchiges Trainingslager absolvieren. Die kleine Flora soll nicht vor den Karren gespannt werden, noch sei sie zu jung.
Dass Flora überhaupt in Stahnsdorf ankam, war auch für die Eselbesitzer eine Überraschung. Gekauft hatten sie eigentlich nur den drei Jahre alten Goliath und die vier Jahre alte Lissy. Dass die Eseldame schwanger war, konnten sie nicht ahnen. „Das hat man ihr nicht angesehen“, sagt Petermann. Selbst Tierärzte nicht. Eines Morgens im August waren die Esel dann zu dritt. Das sei durchaus nicht ungewöhnlich, sagt Petermann. Esel bringen ihren Nachwuchs ohne Hilfe und meist nachts auf die Welt.
Auf ihren Touren mit den Eseln schöpft das Paar neue Kraft. Eine Flugreise kommt für sie nicht infrage, stattdessen ist ein Esel-Trekking bis Frankfurt (Oder) geplant. Marokkanische Bastkörbe sind schon bestellt. Damit sollen Lissy und Goliath bald auch Einkäufe schleppen. „Den Weg über die Hauptstraße haben wir schon geübt“, sagt Petermann. Nun hoffen die Eselliebhaber, dass ihre Mühen nicht umsonst waren.
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