Aus dem GERICHTSSAAL: Diktierte Zeugenaussagen?
Polizist vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen / Irritierende E-Mail
Stand:
Teltow – Der Weg durch die Instanzen hat sich für Markus M.* (38) gelohnt. Die Berufungskammer des Landgerichts unter Vorsitz von Jan Boecker sprach den Polizisten vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt, der Nötigung sowie der Sachbeschädigung frei. Das Amtsgericht hatte Markus M. vor fast genau einem Jahr zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Es sah als erwiesen an, dass der Polizist bei einem Einsatz in Teltow eindeutig über das Ziel hinausgeschossen war. Der Angeklagte hatte die ihm zur Last gelegten Taten bestritten. (PNN berichteten.)
Rückblende: Es ist der 10. März 2005. Mitglieder der operativen Fahndungsgruppe, unter ihnen Markus M., observieren die Wohnung von Sebastian S.* (27) in der Potsdamer Straße. Der Teltower steht im Verdacht, Drogen an Minderjährige zu verkaufen. Um 19 Uhr werden die Räume, in denen sich außer dem Mieter noch vier Jugendliche aufhalten, gestürmt, später von anderen Beamten durchsucht – allerdings ohne Ergebnis. Aus Sicht der Polizei ein ganz normaler Einsatz. Sebastian S. empfand das anders. Er erstattete Strafanzeige gegen Markus M. Der habe gedroht, ihm den Arm zu brechen, wenn er nicht endlich aufhöre, nach seinem Anwalt zu fragen. Als er gefesselt auf dem Boden lag, soll Markus M. ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, beim groben Herumgezerre den Pullover zerfetzt haben.
„Wir konnten nicht feststellen, dass der Polizeibeamte die Grenzen staatlicher Machtausübung überschritten hat“, betonte Richter Boecker. „Es galt, schnell zu handeln, um eventuelles Beweismaterial zu sichern.“ Sebastian S., der sich der Anordnung der Beamten widersetzte, sich auf den Boden zu legen, sei von Markus M. zu Fall gebracht und gefesselt worden. „Dann verspürte er einen Schmerz auf der rechten Wange. Von einem Faustschlag des Angeklagten war während der Berufungsverhandlung keine Rede mehr. Außerdem konnte kein Zeuge sagen, wobei genau der Pullover zerrissen wurde.“
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zeigte sich sichtlich betroffen von einer E-Mail, die erst am zweiten Prozesstag auftauchte. In ihr gibt es ihrer Ansicht nach eindeutige Vorgaben des Leiters der operativen Fahndungsgruppe an alle am damaligen Einsatz beteiligten Kollegen, wie sie während der Berufungsverhandlung auszusagen haben. „Vor diesem Hintergrund sind die Bekundungen der Polizeibeamten, die keinerlei Übergriffe gesehen haben wollen, mit großer Zurückhaltung zu werten“, konstatierte sie. Der Anwalt von Sebastian S. – er trat als Nebenkläger auf – sprach von einem Skandal. „Das Gericht hat nicht den Eindruck, dass mit dieser E-Mail Einfluss auf die Kernaussagen der Polizisten genommen werden sollte. Sie ist eine Aufforderung, sich sehr genau zu überlegen, was sie wirklich gesehen haben“, entgegnete der Vorsitzende. Schließlich habe es während der Verhandlung vor dem Amtsgericht sehr unkonkrete Aussagen gegeben, die dann zum Schuldspruch gegen ihren Kollegen geführt hätten. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga
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