Potsdam-Mittelmark: DNA-Spur überführte Posträuber aus Thüringen Überfälle in Potsdam-Mittelmark vor Gericht
Potsdam-Mittelmark - Der Staatsanwalt regte an, auf die Zeugen zu verzichten, um ihnen das erneute Durchleben einer belastenden Situation zu ersparen. Schließlich sei der Angeklagte geständig gewesen.
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Potsdam-Mittelmark - Der Staatsanwalt regte an, auf die Zeugen zu verzichten, um ihnen das erneute Durchleben einer belastenden Situation zu ersparen. Schließlich sei der Angeklagte geständig gewesen. Doch Jörg Tiemann, Vorsitzender der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts, wollte am Freitag Einzelheiten der Überfälle auf Postfilialen erfahren, die zwischen September 2011 und Juni 2012 den Landkreis Potsdam-Mittelmark in Atem hielten.
Seit dem 3. Dezember sitzt der 39-jährige Kai H. wegen schweren Raubes in sechs Fällen auf der Anklagebank. Er soll Postagenturen in Brück, Borkheide, Kloster Lehnin und Fichtenwalde überfallen haben, Letztere gleich zweimal. Insgesamt rund 45 000 Euro soll der Thüringer dabei erbeutet haben. Anfangs noch maskiert, sei er seinen Opfern später lediglich mit weiter schwarzer Jacke, Basecap und Sonnenbrille entgegengetreten. Er habe ihnen eine täuschend echt aussehende Softair-Pistole entgegengehalten und alles Geld, was da war, gefordert. Danach soll Kai H. die Geschäfte zügigen Schritts, aber nicht hastig, verlassen haben. Eine Speichelspur auf einer weggeworfenen Zigarettenkippe überführte den Mann, dessen DNA im Polizeicomputer gespeichert war, schließlich. Er wurde in seinem Wohnort bei Gera verhaftet, sitzt seit Juni in Untersuchungshaft.
Zum Prozessauftakt ließ der Angeklagte über seinen Anwalt erklären, die Vorwürfe träfen zu. Als Motiv seiner Taten nannte er Geldnot und einen hohen Schuldenberg.
Wie sehr das Erlebte noch in den Mitarbeiterinnen der von ihm heimgesuchten Postfilialen nachwirkt, zeigte der gestrige zweite Verhandlungstag. „Zweimal ist es gutgegangen. Wer weiß, was beim dritten Mal passieren würde“, sagte Marina M.* (38), nachdem der Tränenfluss versiegt war. Am 23. Dezember vorigen Jahres betrat der damals maskierte Angeklagte morgens ihren Laden in Fichtenwalde, richtete eine aus ihrer Sicht echte Maschinenpistole auf sie und erklärte: „Geld her. Das ist ein Überfall.“ Aus Angst gab sie ihm alles, was da war, insgesamt 30 000 Euro. „Als er ging, hat er sich bei mir entschuldigt“, erzählte die Fichtenwalderin. Zur Mittagszeit des 19. Juni erschien Kai H. erneut in der Filiale, diesmal nur mit Hut und Sonnenbrille. „Alles lief genauso ab wie beim ersten Mal. Das hat mir den Rest gegeben.“ Die Frau litt danach unter Panikattacken und Alpträumen, in denen sich beide Raubüberfälle vermengten. Sie konnte kaum noch etwas essen. Ihr Geschäft gab sie auf, arbeitet heute als Angestellte.
„Wenn Kunden kommen, die ich nicht kenne, habe ich jetzt sofort einen Kloß im Hals“, erzählte Regina R.* (55) vor Gericht. Dann rollten die Tränen. Am 20. September 2011 überfiel Kai H. die Postagentur in Kloster Lehnin, in der die Frau arbeitet. „Als er mir die Waffe zeigte, habe ich nur noch funktioniert. Ich dachte, die Maschinenpistole sei echt.“ In ihrer Angst habe sie dem Räuber, der einen ruhigen, gelassenen Eindruck machte, alles Geld gegeben, was da war, insgesamt 1452 Euro. Psychologische Hilfe habe sie nicht in Anspruch genommen, sei aber eine Woche von der Arbeit freigestellt worden.
Die Verhandlung wird am 4. Januar fortgesetzt. (*Namen geändert.) Hoga
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