KulTOUR: Drei Heuler auf der Couch
„Ein ungleiches Paar“ auf der Kleinen Bühne Michendorf. „Montagsspieler“ kamen langsam in Fahrt
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Michendorf - Warum nicht „Boulevard“, warum nicht Amateure, wenn sie diese hohe Schule des Theaters beherrschen?, sagte sich die Kleine Bühne im Volkshaus Michendorf und engagierte für ein ganzes Wochenende die „Montagsspieler“, alerte Laienspieler aus Berlin. Sie brachten Neil Simons gerühmtes „Ein ungleiches Paar“ mit, ein bravouröses Boulevard- und Ausstattungsstück, welches nicht gerade vom Schmerz der Welt lebt, sondern von der Lebendigkeit und Wertschätzung all seiner Figuren privatissimo.
Da ist es eine Horde von sechs Frauen, die sich regelmäßig im Solo-Appartement von Olive (Melanie Gietz) zu einem Spiel- und Quatsch-Abend trifft. Doch diesmal fehlt eine, die anerkannte Nervensäge Florence, ein wahrer Putz- und Ordnungsteufel inmitten der US-amerikanischen Zivilgesellschaft. Es stellt sich heraus, dass es ihr Mann Sidney nicht länger mit ihr ausgehalten und sie rausgeschmissen hat. Ausgerechnet bei ihren Freundinnen will sie sich nun ums Leben bringen. Jetzt nimmt das Schicksal seinen Lauf, die mitleidige Olive bietet ihr Trost und Asyl, was angesichts der konträren Anlagen dieses ungleichen Paares einfach nicht gutgehen kann. Olive sind Lässigkeit und schlampiger Lebensstil zugewiesen, ihrer Antagonistin aber Sauberkeit und Pünktlichkeit, Putz und Ordnung.
Bald also hebt ein Zickenkrieg an, zumal diese Quasselstrippe ihrer Gastgeberin auch noch ein romantisches Tête-à-Tête vermasselt. Erst die beiden Spanier Manolo (Marcus Hagen Heinemann) und Jesús (Hermann Eppert) aus der Nachbarschaft werden den Knoten lösen. Vorerst. Nach einem mehr als drögen und absolut nicht schlüssigen Start kam das Ensemble bei der ausverkauften Samstagsvorstellung langsam in Fahrt. Vor allem – und ein bisschen einzig – glänzte Bettina Martinez Dreyer, ständig an der Schwelle zwischen Typ und Charge, als Florence. Über die anderen Weibsen, Christine Kretschmer, Carolin Niederhofer, Christiane Grassl und Julia Heuer-Dornemann, gibt es trotz respektablen Einsatzes so viel nicht zu sagen. Die Wilhelmshorster Regisseurin Sabina Riedel hat ihre Parts im dramaturgischen Frage- und Antwort-Spiel so wenig wertgeschätzt wie die Kultur der Bühnensprache: Beim großen Zank der Protagonistinnen war vor lauter Kreischen und Pressieren gar nichts mehr zu verstehen.
Sonst aber waren die vier Akte auf zwei Stunden flüssig und einfallsreich inszeniert, auch ohne Subtext gab jeder sein Bestes, besonders die Männer. Das Publikum amüsierte sich wie Bolle. Namentlich als Florence die radebrechenden Spanier in einer herzzerreißenden Lachnummer gleich mit zum Weinen bringt. Tief drinnen hatten sie allesamt die Trennung von ihren Ehepartnern nicht verwunden: Drei Heuler auf einer Couch, zum Brüllen!
Melanie Gietzens Rolle ist ausbaufähig, als „diensthabende Spontanität“ wirkte sie viel zu sachlich, zu kontrolliert. Die Regie indes könnte etwas gründlicher über die Folgen von Vorgängen nachdenken, besonders beim Finale: Zweimal wird Florence vor die Tür gesetzt, das endet mit fröhlichem Singen und Tanzen? Sie nistet sich jetzt bei den Spaniern ein. Mal sehen, wie das weitergeht – im Mai wollen die Montagsspieler am selben Ort „Das zweite Kapitel“ geben.
Gerold Paul
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