zum Hauptinhalt

KulTOUR: Ein buntes Völkchen ganz ohne Wertung

Malerei, Grafik und Plastik. Zweite Bestandsaufnahme im Werderaner Kunst-Geschoss

Stand:

Werder (Havel) - Immer mehr bildende und angewandte Künstler zieht es nach Werder und in die einverleibten Ortsteile ringsum. Hohe Zeit, sich wieder mal eine Übersicht zu verschaffen, die „Erste Bestandsaufnahme“ durch die Stadtgalerie Kunst-Geschoss liegt ja schon eine Weile zurück. Die jetzt durchgeführte zweite für Malerei, Grafik, Plastik ist freilich schon die dritte. Sehr auf Balancen bedacht, schob Kurator Frank Weber 2010 eine solche für angewandte Genres dazwischen.

Auf die jetzige Ausschreibung haben sich nicht weniger als achtundzwanzig Profis, Semiprofessionelle und Hobbykünstler gemeldet, vorwiegend in der Malerei, weniger im plastischen Bereich engagiert. Jeder wurde genommen, durfte sich mit zwei Werken beteiligen. Diese Zahl in einem Raum unterzubringen, ist selbst eine Kunst, aber die beherrscht der bildende und Konzeptkünstler Weber ja aus dem Effeff.

Nun ist so eine Überschau zwar für jedermann nützlich, trotzdem kann man das Fingerspitzengefühl im Umgang mit einer derart kunterbunten Künstlerschar auch übertreiben: Ostentativ bestätigt der Flyer die juryfreie Annahme der Werke, ihre Wiedergabe geschah „ohne Wertung durch den Kurator oder andere Personen". Bei der namentlichen und fotografischen Vorstellung auf der Rückseite des Flyers wird ausdrücklich auf die Reihenfolge des Alphabets verwiesen. Nanu, brauchen Werders künstlerische Zünfte nicht auch mal ein abweisend-kritisches Wort? Dabei geht es gar nicht um Profis und Amateure, sondern um überzeugende und unzureichende Werke. Publikumsgeschmack darf das Ultimo nicht sein, Kunst kommt schließlich noch immer von Können. Doch ist Gerechtigkeit so schwer wie die Demokratie – wer könnte da den Königsweg finden?

In diesem Sinne sieht jeder eine andere Ausstellung: Uwe Rabiens „Zwei Porträts mit Lyrik“, Hans-Joachim Stahlbergs barocke Sicht auf die jüdische Braut, Gudrun Maders seltsam Anderer Raum, Anna Gestrichs detailgetreue Birkenidylle und Julia Winters Versuch, den Nahostkonflikt zu collagieren.

Oder Ann-Louise Schwiegers Idee, alte Farbpaletten zu sammeln und kunstvoll zu bemalen, Gabriele Kareles arg verschlungene Reiherhälse, Manfred Jahnkes Sonnenuntergang nach alter Weise sowie Wilfried Mixens originelle Art, behufs einer Sahneschnitte zu einer Werderschen Inselvedute zu kommen. Ebenso Günter Ihles großformatige Exerzitien mit eigenartigen Bäumen, die feingeschliffenen Sandsteinfiguren von Heike Schöneburg – und vieles andere mehr, alles natürlich ganz ohne Wertung. Gut, das eine oder andere mag vielleicht ein wenig herausragen, die beiden Bilder von Frank Weber, Peter-Joseph Weymanns schwebendes Paradies samt seiner freien Erfindungen, jener tiefschwarze Gartenzwerg, der sich noch, von Ketten umzingelt, für einen richtig netten Kerl hält. Weiteres.

Ob jung oder alt, ob Altwerderaner oder Neuzugang, ob Profi oder Amateur – die zweite Bestandsaufnahme zeigt ganz genau an, wer hier noch auf dem Weg ist. Jedes Bild spiegelt den gedanklichen und ästhetischen Zustand des Künstlers, sein augenblickliches Bewusstsein. Insofern darf man nun wieder dem Großen Kurator folgen, als er denn die geflügelten Worte aussprach: „Wir sind ein buntes Völkchen geworden.“ Wer freilich keine Wertung mehr braucht, sollte besser seinen Pinsel abgeben.Gerold Paul

Ausstellung im Werderaner Kunst-Geschoss bis zum 30. Dezember Do., Sa. und So. von 13 bis 18 Uhr; auch am 25. und 26. Dezember

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })