Potsdam-Mittelmark: Ein Caputher Erntedank
Pfarrer Baaske zieht ein Jahr nach der Kirchenschändung ein Resümee
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Schwielowsee · Caputh - Für die Caputher Kirchengemeinde war der 2. Oktober 2006 kein guter Tag: Sechs 13- bis 15-jährige Kinder und Jugendliche – die meisten Mädchen – hatten einen Tag nach Erntedank in der Kirche gewütet, den Erntedank-Altar und eine historische Lampe zerstört, die Spendenkasse geplündert. Auf einer Kirchenbank wurden Exkremente gefunden. In den Gipsabdruck der Taufschale wurde uriniert.
Die Betroffenheit der Kirchengemeinde war groß. Doch dabei wollte man es nicht belassen. Auf Initiative von Pfarrer Hans-Georg Baaske wurde eine Wertediskussion in Schwielowsee angeregt. Mit den sechs Rowdies wurde ein Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt. Was ist daraus geworden? Pfarrer Baaskes Resümee: „Wir wussten damals, dass wir nicht die Welt verändern werden. Aber es ist etwas in Gang gekommen, etwas positives für die Gemeinde.“
Fünf der sechs jungen Täter erklärten sich zum Täter-Opfer-Ausgleich bereit: Zum Teil wurden die angerichteten Schäden behoben. Die Lebensmittel vom Erntedank-Altar, die für die Potsdamer Tafel gespendet werden sollten, wurden ersetzt. Die Jugendlichen nahmen an einem Arbeitseinsatz bei der Tafel teil. Sie stellten sich einem Gespräch mit dem Pfarrer, ließen sich die Kirche zeigen, Grundbegriffe des christlichen Glaubens erklären – und fanden es am Schluss „doch cool“. Sie waren beim Vorbereiten, Durchführen und Nachbereiten einer christlichen Trauung dabei. Und schließlich wurde auch die 700 Euro teure Taufschale von ihnen ersetzt. Eltern und die fünf Beteiligten haben sich beim Pfarrer entschuldigt. Baaske: „Ich denke, dass Eltern und Jugendliche viel miteinander gelernt haben.“
Ein beteiligtes Mädchen lehnte den Ausgleich ab, strafrechtlich lässt sie sich wegen ihres Alters – wie auch die anderen Jugendlichen – nicht belangen. Pfarrer Baaske will nun aber zumindest auf zivilrechtlichem Wege einen Schadensausgleich durchsetzen. „Wir können gegenüber den anderen Jugendlichen nicht stehen lassen, dass man durchkommt, wenn man sich drückt.“ Doch auch über den Fall hinaus ist etwas in der Kommune Bewegung gekommen.
Baaske blickt auf den gemeinsamen Erlebnistag des Caputher Jugendklubs und der Jungen Gemeinde im Frühsommer zurück: Am Caputher See wurde gemeinsam ein Floß aus Plastikkanistern und Europaletten gebaut, und auch wenn man damit baden ging, hat sich der Tag gelohnt. „Fromme Spinner“; „Die saufen nur“? Baaske: „Solche Klischees konnten auf beiden Seiten abgebaut werden.“ Eine Wiederholung dieser Form von „Erlebnispädagogik“ wird angestrebt.
Nicht zuletzt wurde die Wertediskussion mit Worten geführt: Der Vorsitzende des Sozialausschusses der Gemeindevertretung Thomas Hartmann (SPD) lud Jugendliche, Schulen, Kitas, Vereine und Träger zu zwei Terminen ein. Der Austausch über Wertmaßstäbe, Toleranz und soziales Miteinander soll nun halbjährlich fortgesetzt werden.
Am Sonntag wurde wieder Erntedank in der Caputher Kirche gefeiert, es wurde wieder reichlich gespendet für Bedürftige, und es gab ein bisschen Frieden: Alles ist heil geblieben. Henry Klix
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