KulTOUR: Ein Dauerton der Erdenschwere
Gedichte von Rainer Maria Rilke mit Musik im Festsaal des Schlosses Caputh
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Schwielowsee - Man soll sich bekanntlich kein Bild machen, weder von Himmel und Erde noch von dem Dichter Rainer Maria Rilke. Wer es dennoch tut, möge dies wenigstens in den Farben des Lebens tun, die sind allemal besser und bunter als sämtliche ästhetisch-germanistischen Modelle wie Weltfremdheit, Elegienwahn, Blutarmut oder gar der Passus von der „Kunst an sich“, der gar nicht so schlecht ist. Hat denn der Unstete – hundert Aufenthalte in zwölf Ländern sind auf einundfünfzig Lebensjahre aquiriert – nur immer gelitten, nie aber gelebt?
Schaut man auf die jüngste Offerte der „Caputher Musiken“ vom Samstag, scheint es derart zu sein. Die Schauspielerin Christine Uhde als Sprecherin sowie Beate Masopust (Gitarre) und der bekannte Meistercellist Benno Kaltenhäuser lieferten im Festsaal des Schlosses Caputh unter dem Titel „O Leben – wunderliche Zeit“ ein literarisch-musikalisches Bild des gebürtigen Pragers, welches die Lebensgeister der Heutigen nicht gerade zu wecken gewillt war, um es mal höflich zu sagen. Im Gegenteil, es bediente das formale Bild von elegisch-entrückten Geistkörper Rilke mehr, als es dem heutzutage ohnehin stark strapazierten Gemüt nur wohl sein könnte.
Die ausgewählte Gedichtfolge wurde Rilkes „Stundenbuch“, dem „Buch der Bilder“ sowie weiteren Sammlungen eigener Hand entnommen und nach den Zeiten des Jahres geordnet. Auch musikalisch bemühte man sich, im Bilde der Zeit um 1900 zu bleiben, von Bela Bártok und Gabriel Fauré bis zu Eric Satie und Prosper Gabriel-Marie war alles enthalten, was sich für ein dominantes Cello nebst Gitarre, für sphärische Trauer und tränenloses Seufzen nur irgendwie anbieten wollte. Dass man damit genau ins Zentrum der Zuschauererwartung traf, versteht sich von selbst, sonst wäre das Bild vom Bild ja vergeblich gewesen.
Rilke (1875-1926) ist eben „Elegie“, und basta! Tief ernste Künstlergesichter also im Festsaal vom Schloss direkt unter den strengen Augen des Großen Kurfürsten, als Christine Uhde mit stark gebremstem Temperament „O Leben Leben“ aus dem Pariser Jahr 1913 vortrug, ein sehr schönes Gedicht mit leicht hymnischem Anklang. Dann aber, noch in der Zeit vom Frühling, zogen düstere Töne herein, kein Schwung beim „Karussell“, keine Freude bei der „Blauen Hortensie“, nicht einmal Mendelssohns „Auf den Flügeln des Gesangs“ wollte den dichterischen „Frühlingswind“ richtig beleben.
So ging es durchs ganze Jahr: Permanente Larmoyanz, ein Dauerton der Trauer, des Bedenkens, der Erdenschwere des suchenden Fragens. Gravide Schicksalsschwangerzeit, ach ja. Worte und Noten stets in gleicher Stimmung, gebunden, gefesselt: Ein Grundgestus, mehr stand nicht zur Verfügung. Freude, Lachen, auch mal Übermut? Das passte wohl nicht ins Bild. Dafür viel leeres Pathos – pathetische Gesten, nicht nur beim Fallen der Blätter.
Der musikalische Teil war zwar perfekt, dafür aber oftmals steril, die dunkelsten Töne vom Cello wieder und wieder, nur einmal gab die Gitarre ein Solo. Warum nicht mal einen Ragtime oder einen zeitgenössischen Gassenhauer ins Repertoire mogeln? Das hätte andere Stimmung gegeben. So aber folgten Elegie auf Elegie, Seufzer auf Seufzer, Weltschmerz auf Menschschmerz beim fünfundsiebzigminütigen Nonstop. Alles da – nur Rilke fehlte. Wenn man etwas hymnisch ankündigt und dann, oh Leben, doch nur Trauer bietet, dann passt das Bild nicht zum Rahmen, dann war´s eben nur ein Bild. Jammerschade, und tieftraurig dazu. Gerold Paul
Gerold Paul
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