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Von Henry Klix: Ein Deich für die Insel

In Töplitz fragt man sich nach der Havelflut, wer eigentlich für den Hochwasserschutz zuständig ist

Stand:

Werder (Havel) - Die uralte Pflasterstraße Zur Alten Fähre in Töplitz ist auf einem Damm gebaut. Das Wasser der Havel steht an der Dammkante. Am Ende der Piste ist am Flussufer eine Bank aufgestellt. Man schaut hinüber auf den Kirchturm und die Häuser von Phöben, hier fuhr mal die Fähre. Die Bank und die Bäume rundherum stehen tief im Wasser. Zwei Handbreit mehr, und auch die Bungalowsiedlung nebenan wäre überschwemmt. Der Havelwasserstand ist in den vergangenen Tagen zwar etwas gesunken, es gilt nur noch Alarmstufe I. Die Havel steht laut Wasser- und Schifffahrtsamt aber immer noch 60 Zentimeter über dem Mittelwert. Das ist seit 23 Jahren nicht mehr vorgekommen.

In Töplitz hatte man in den vergangen Wochen gut mit der Situation zu tun: Die geschluckte Straße nach Gohlwerder musste aufgeschottert, zwei Dammbrüche geflickt werden. Ein Überlaufwehr wurde erhöht, alles auf Hinweis von Einheimischen. Die Straße Zur Badestelle wurde wegen Überflutung gesperrt. „Na gut, es ist ja kein Badewetter“, sagt der Töplitzer Ortsvorsteher Frank Ringel. Doch hinter der fröhlichen Fassade macht er sich Sorgen.

Wenn man die Straße Zur Alten Fähre befährt, versteht man warum: Die Havel drückt gegen den fragilen Damm, an manchen Stellen sickert das Wasser auf die Straße. Auf der anderen Dammseite kämpfen Schöpfwerke gegen die Überflutung der klatschnassen Weideflächen an. „Der Straßendamm sackt jedes Jahr etwas weiter ab“, sagt Ringel. Am anschließenden Mittellanddamm sieht es nicht besser aus. Er müsste dringend verstärkt und teilweise erhöht werden. Ringel fürchtet, dass abgesehen von Agrarflächen und Dutzenden von Bungalows auch mehrere Wohnhäuser in Göttin und Neutöplitz betroffen sein werden, wenn die alten Schutzanlagen nicht mehr halten. Im Ortsbeirat am Dienstagabend kam die Frage auf, wer eigentlich für den Hochwasserschutz der Insel zuständig ist?

Bei einer Hochwasserkonferenz gestern in Potsdam kündigte Umweltministerin Anita Tack (Linke) an, dass nach den großen Flüssen das Augenmerk verstärkt auf kleine Flüsse gelegt werden müsse, sie nannte auch die Havel. In der Unteren Wasserbehörde in Belzig ist man sich bereits einig, nach dem Ende des Havelhochwassers mit den Gemeinden und dem Katastrophenschutz vor Ort über Konsequenzen nachzudenken, wie Fachdienstleiterin Birgit Kusza auf Anfrage erklärte. „Man sieht am meisten, wenn das Wasser wieder weg ist.“ Was genau in Töplitz passieren muss und wer es bezahlt, ist offen. Für Siedlungsbereiche legt das Land gemeinhin Deiche an, in Töplitz reicht die Zahl der Betroffenen aber wohl nicht aus, um die alten Dämme durch neue teure Deiche zu ersetzen, so Kusza.

Zwischen Phöben und Brandenburg (Havel) sind sie ein wirksamer Schutz für die Dörfer am Fluss. Die Bauern stöhnen trotzdem: Vordeich-Flächen sind überflutet, hinterm Deich macht ihnen der Grundwasserspiegel zu schaffen. Bis der Wasserstand wieder „normal“ ist, werden noch zwei Monate vergehen, sagt Gerhard Löper vom Wasser- und Schifffahrtsamt Brandenburg. Auch wenn das Wasser zuletzt 1988 so hoch stand: Löper betont, dass der Pegel – längere Zeiträumen betrachtet – nicht ungewöhnlich ist. 1940 stand er in Ketzin bei 2,09 Metern, der Spitzenwert im Januar betrug 1,61.

Naturschützer sind darüber nicht böse: „So müsste es eigentlich jedes Jahr hier aussehen“, sagt der bekannte Potsdamer Biologe Kai Heinemann mit Blick auf das Naturschutzgebiet Wolfsbruch – ein Niedermoor bei Töplitz und das einzige natürliche Überschwemmungsgebiet der Mittleren Havel. Es steht komplett unter Wasser. „Zuletzt habe ich das in der ,AG Junge Förster’ 1985 gesehen“, sagt Heinemann. Das Wolfsbruch werde endlich wieder seinem germanischen Namen (Bruch–Sumpfland) gerecht. Mit der Verbreiterung der Havel im Jahr 1913 war es mit den jährliche Havelhochwassern vorbei. Landwirte hatten den Ausbau seinerzeit beim Kaiser gefordert, die „Volksernährung“ der Berliner wurde in Gefahr gesehen.

Günter Kehl von der Unteren Naturschutzbehörde in Belzig spricht angesichts der Havel-Wasserstände von einer „regelrechten Erfrischungskur für ufernahe Bereiche und Moore“. „Das wurde höchste Zeit.“ Flora und Fauna könnten sich neu entwickeln, intakte Moorböden würden die Feuchtigkeit bis in den Sommer und darüber hinaus speichern. Und auch die Fischer könnten sich freuen: Die überfluteten Flächen sind attraktive Laichgebiete. Auch in Töplitz.

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