
© Haacke Haus GmbH
Fachkräftemangel in Potsdam-Mittelmark: Ein Führerschein zum Ausbildungsplatz
Betriebe im Landkreis lassen sich immer mehr einfallen, um Jugendliche anzuwerben. Bei Haacke Haus in Werder bekommt man eine Fahrerlaubnis oder kann am Betrieb wohnen. Doch nicht alle Unternehmer begrüßen solche Initiativen
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Potsdam-Mittelmark - Eine Lehrstelle, dazu ein kostenloser Führerschein oder gratis am Arbeitsort wohnen: Wer derzeit einen Ausbildungsplatz sucht, wird stark umworben. Inzwischen haben nicht mehr nur Unternehmen im ländlichen Südwesten des Landkreises Probleme, freie Stellen zu besetzen. Auch rund um Potsdam wird es schwierig. „Wir bieten unseren Auszubildenden ab sofort an, ihren Führerschein zu bezahlen“, sagt Björn Beckers, Prokurist der Firma Haacke Haus GmbH aus Werder (Havel), den PNN.
Beckers zufolge ist das Unternehmen im Ortsteil Derwitz ohne Auto praktisch nicht zu erreichen, mit dem Bus kämen die Auszubildenden eine Stunde zu früh oder zu spät zur Arbeit. „Wir hatten schon mehrere junge Leute, die nach erfolgreichen Bewerbungsgesprächen doch abgesagt haben, da ihnen der tägliche Anfahrtsweg zu lang ist“, so der Prokurist. 15 Auszubildende hat der Betrieb derzeit in Derwitz und im Niedersächsischen Celle, die Industriekaufmann, Zimmerer, Bauzeichner und EDV-Kaufmann werden wollen.
Lehrlinge können im Musterhaus wohnen
Ab dem ersten August bietet Haacke seinen Lehrlingen, die weiter weg wohnen, sogar eine Wohnung auf dem Betriebsgelände an. „Wir haben ein ehemaliges Musterhaus so umgebaut, dass dort drei Lehrlinge wohnen können“, so Beckers. Einer von zwei bereits eingestellten neuen Lehrlinge komme extra aus Süddeutschland, da sei das Wohnen vor Ort die beste Option. Die Lehrlinge müssen für ihre Wohnungen nur die Nebenkosten tragen. Trotz der Angebote seien derzeit noch zwei Lehrstellen unbesetzt. „Dabei gibt es nach der Ausbildung viele weitere Wege, die einem offen stehen.“ Laut Beckers werden alle Zimmermänner gern übernommen, man könne aber auch ein Studium anschließen.
So hat Elisabeth Schmidt in Derwitz bis 2009 Zimmerin gelernt und studiert seither Bauingenieurswesen in Leipzig. Nun schreibt sie bei Haacke ihre Bachelor-Arbeit. „Mich hat der Hausbau schon immer interessiert und die Unterstützung hier in der Firma war besonders groß“, sagt die 27-jährige, die aus dem sächsischen Rochlitz stammt. Die Lage von Haacke etwas abseits des Berliner Speckgürtels habe sie auch nicht gestört, sie habe sich deutschlandweit beworben.
Weg von Potsdam nach Werder war manchen Bewerbern zu weit
Dass nicht mehr viele junge Menschen so flexibel sind, hat die Immobilienmaklerin Gabriele Richter erfahren. „Mir haben Bewerberinnen aus Potsdam abgesagt, weil ihnen der tägliche Weg nach Werder zu weit war“, sagt Richter, die auch Mitglied im Unternehmernetzwerk Pro Werder ist. Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) veranstaltet das Netzwerk Stammtische, bei denen Unternehmern Tipps für die Lehrlingssuche gegeben werden. Dazu gibt es Aktionen wie den Frühjahrsspaziergang, bei denen Eltern und Schülern die Vielfalt an Lehrstellen vor Ort gezeigt wird. „Betriebe wie der Edeka-Markt, die einen guten Ruf unter Auszubildenden haben, können ihre Stellen noch problemlos besetzen“, so Richter. In Michendorf wirbt das dortige Unternehmernetzwerk bereits bei Acht- und Neuntklässlern für Ausbildungen in der Region. Auch die IHK sollte laut Netzwerkmitglied Ralf Weißmann mehr Werbung machen, besonders für Berufe im Gastgewerbe, die bei den Auszubildenden inzwischen nicht mehr besonders beliebt sind (sieheKasten). „Wir als Arbeitgeber haben zu dem Bild teilweise ja selbst beigetragen, in dem manche Betriebe in den vergangenen 25 Jahren fast nur noch Lehrlinge und einen Ausbilder hatten und die jungen Leute als normale Arbeitskräfte einsetzten“, sagt Weißmann, der in Wildenbruch den Gasthof Zur Linde betreibt. Gegen dieses Image werde man wohl die nächsten zehn Jahre noch ankämpfen müssen.
Trotz der abgeschiedenen Lage in Wildenbruch würden sich bei ihm aber noch genügend Lehrlinge bewerben. „Wir machen keine wochenlangen Praktika, sondern zeigen den Bewerbern gleich in den ersten Tagen, was beim Job alles auf sie zukommt“, so Weißmann. Einige würden dadurch zwar abgeschreckt, jedoch gebe es derzeit sogar einen Lehrling, der extra aus Husum gekommen ist. Von Aktionen wie bei Haacke Haus in Derwitz hält er wenig. „Es ist doch fraglich, ob Lehrlinge noch ein Motiv für die Ausbildung haben, wenn man sie mit einem Führerschein oder gratis wohnen anlocken muss“, sagt der Gastronom.
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