Potsdam-Mittelmark: Ein gefürchteter Vielfraß
50 000 Hektar Wald von Nonne befallen / Chemische Keule in Schorfheide noch tabu
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50 000 Hektar Wald von Nonne befallen / Chemische Keule in Schorfheide noch tabu Von Juliane Sommer An der Kronenspitze der Kiefern in dem Forst nördlich von Groß Schönebeck treiben zartgrün neue Nadeln. Der Rest der Krone jedoch ist nackt: Die Nonne, der gefürchtete Kiefernschädling, hat dort auf einer Fläche von 3600 Hektar Kiefernschonung zugeschlagen und die Bäume ihrer Nadeln beraubt. Die Population des unscheinbaren Schmetterlings, dessen Raupen die Schäden an den Bäumen verursachen, hat sich in diesem Jahr bedenklich ausgedehnt. „Einige der Bäume haben bis zu 90 Prozent ihrer Nadeln verloren“, sagt Klaus Pape, Sprecher des Biosphärenreservats Schorfheide/Chorin. Die chemische Keule wurde von den Förstern in diesem Jahr trotz der schnellen Zunahme der Schäden jedoch nicht angewandt, schließlich befindet der Wald sich inmitten des Biosphärenreservates. Der Einsatz von Insektiziden wird dort nicht gern gesehen und wenn es irgend geht vermieden. Gegen die angebliche Untätigkeit des Forstamtes Eberswalde hatte sich im Sommer eine Bürgerinitiative zur Rettung der Kulturlandschaft Schorfheide gebildet, die einen chemischen Feldzug gegen die Nonne fordert. Dass die Landesforstverwaltung sich dennoch dagegen entschied, hat nicht nur mit dem Biosphärenreservat etwas zu tun. „Die Bäume haben trotz des Befalls eine gute Überlebenschance“, sagt Karl-Heinrich von Bothmer, Abteilungsleiter Forst im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium. Allein die Tatsache, dass sie wieder neu ausgetrieben haben, sei ein Zeichen für ihre Vitalität. Wenn die Nonne im nächsten Jahr nicht weiter an den Bäumen frisst, würden diese den diesjährigen Angriff gut überstehen. Zum anderen kostet die Schädlingsbekämpfung Geld. Und drittens könnten Bäume, die von der Nonne befallen werden, gefällt und ohne Qualitätsverlust auf dem Holzmarkt verkauft werden. Denn die Stämme werden durch die Raupe nicht angegriffen. Sie hat lediglich Appetit auf die Nadeln. Auf die leichte Schulter nehmen die Forstexperten die Ausbreitung der Nonne jedoch nicht. Und wo die Schäden zu groß werden, greifen sie auch zu Insektiziden. 50 000 Hektar Wald waren in diesem Jahr landesweit von der Nonne befallen. Auf 20 000 Hektar erklärte die Forstverwaltung dem Tier mit Insektengift den Krieg. Und auf den übrigen Flächen beobachten sie den Schädling. Die Eier, die durch die Schmetterlinge in den Boden gelegt wurden, werden gezählt, die verpuppten Raupen erfasst. Und wenn im kommenden Jahr die nächste Nonnen-Generation womöglich in vermehrter Zahl den Großangriff gegen Kiefernadeln startet, dann kann auch in der Schorfheide der chemische Angriff gegen die Raupen gestartet werden. Auch Reservats-Sprecher Pape schließt das nicht aus. Das werde Fläche für Fläche entschieden, sagt er. „Und wo es nicht anders geht, müssen dann auch Insektizide eingesetzt werden. Aber wirklich nur dort.“ Tabu sind jedoch die Totalreservate. „Dort darf der Mensch nicht eingreifen. Und wenn die Nonne über ein Totalreservat herfällt, dann tut sie das eben“, sagt Pape. Die unter diesen absoluten Schutz gestellten Gebiete des Biosphärenreservates sind allerdings kaum von der Nonne befallen. Meist liegen diese Flächen in Mischwaldzonen, wo die Raupe keine so reiche Ernte einfahren kann. Problematisch ist der Schädling vor allem in den Kiefern-Monokulturen, die in der nächsten Baum-Generation auf weiten Flächen im Land ohnehin der Vergangenheit angehören werden. Das brandenburgische Waldumbauprogramm sieht die Umwandlung der ökologisch problematischen Monokultur-Wäldern in Laubmischwälder vor. Zumindest dort, wo die Bodenwerte es erlauben.
Juliane Sommer
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