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Aus dem GERICHTSSAAL: Ein Gesicht, das aus dem Dunkeln kam

Prozess nach Verkehrsunfallsunfall mit Todesfolge: Autofahrerin muss 8000 Euro zahlen und bleibt straffrei

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Michendorf – Gustav G.* wollte am Abend des 20. November 2009 zu einer Feier im Michendorfer „Heidekrug“. Der 83-Jährige wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft der Gaststätte. Er brauchte nur die Bundesstraße 2 zu überqueren. Dabei erfasste ihn der Skoda einer Fernsehjournalistin aus Nordrhein-Westfalen. Der Witwer überlebte den Zusammenprall zunächst, verstarb allerdings am 9. Januar 2010 an Organversagen im Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann.

Der ursprünglich von der Polizei nicht sehr gründlich protokollierte „Unfall mit Personenschaden“ wurde nun zu „Fahrlässiger Tötung“. Die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein, erhob Anklage gegen Skodafahrerin Gisela G.* (65). Die Rheinländerin musste sich am Donnerstag vor dem Schöffengericht verantworten. Verurteilt wurde sie allerdings nicht. „Der Grad der Fahrlässigkeit der Angeklagten liegt im unteren Bereich. Außerdem lässt sich das tragische Geschehen nach dieser langen Zeit nicht mehr restlos aufklären“, befand die Vorsitzende Reinhild Ahle. Sie stellte das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 8000 Euro ein. Rechtsmedizinerin und Dekra-Gutachter mussten nicht gehört werden.

„Es war stockfinster. Ich fuhr höchstens 50 Stundenkilometer. Plötzlich tauchte rechts wie aus dem Nichts ein Gesicht auf“, berichtete Redakteurin Gisela G. „Ich bremste und zog den Wagen nach links, aber da krachte es schon. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe.“ Auf der Fahrbahn habe sie dann eine Person wahrgenommen, etliche Meter entfernt zwei Krückstöcke.

Die lilafarbenen Gehhilfen mit „Katzenaugen“ an der Rückseite lehnen zur Demonstration im Verhandlungssaal. Eine von ihnen ist verbogen. „Das passiert nicht so leicht. Da müssen schon erhebliche Kräfte eingewirkt haben“, betonte der Anwalt des als Nebenkläger auftretenden Sohns des Getöteten.

„Mein Vater brauchte die Stöcke eigentlich nicht. Er nahm sie nur bei Dunkelheit, weil er sich dann sicherer fühlte“, erzählte der 50-Jährige. „Vater war noch ziemlich fit. Er machte seinen Haushalt alleine, versorgte das Viehzeug und fuhr auch noch Auto.“ Am Unglücksabend habe er dem 83-Jährigen angeboten, ihn in den „Heidekrug“ zu begleiten. „Aber er wollte alleine gehen“, so der Lagerarbeiter. Wenig später habe ihn die Gaststättenleiterin über den Unfall informiert. „Im Krankenhaus sagte mir mein Vater, er sei schon über die Straße rüber gewesen, als ihn das Auto erwischte. Er klagte über Schmerzen in der Nierengegend und hatte eine Schürfwunde auf der Stirn. Sein rechter Jackenärmel war zerrissen“, erinnerte sich der Sohn. „Wie war Ihr Vater gekleidet?“, fragte die Vorsitzende. „Dunkle Jacke, dunkle Hose, Mütze“, antwortete der Mann. Das wurde ihm vielleicht zum Verhängnis. Die B 2 war an dieser Stelle extrem dunkel. Erst nach dem tödlichen Unfall wurde eine Straßenlaterne aufgestellt.

„Fakt ist, die Ermittlungen der Polizei wurden nicht so geführt, wie es sein sollte. Unmittelbare Tatzeugen gibt es nicht. Darauf kann man kein Urteil gründen“, befand das Schöffengericht. (*Namen geändert.) Hoga

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