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Von Tobias Reichelt: Ein gut bezahltes Spiel

In Teltow trainiert die Weltelite des Computersports in einer alten Kaufhalle

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Teltow - Zumindest ein Vorurteil wird widergelegt: Wer in seiner Freizeit zu oft Computer spielt, verspielt seine Chancen im Leben. Auf die Star-Computerspieler der Szene treffe das nicht zu, erklärt Matthias Bayer, Manager eines fünfköpfigen Computerspieleteams für das taktische PC-Spiel „Warcraft“ (zu deutsch Kriegshandwerk): Seine Spieler verdienen mit ihrem früheren Hobby und heutigen Beruf sehr viel mehr als ein durchschnittlicher Familienvater, reisen von einem Ort der Erde zum nächsten und sind nun auch in Teltow zwischen gelandet. Seit rund einem Jahr lockt hier eine zum Trainingslager für den elektronischen Sport umgebaute Kaufhalle in der Havelstraße die Weltelite der professionellen Computerspieler mit Preisgeldern im fünfstelligen Euro-Bereich an den Rand Berlins.

Wie gebannt starrt der Koreaner Jang Jaeho auf den riesigen Flachbildfernseher in der neu eingerichteten Lounge der früheren Kaufhalle. Der schlanke junge Mann gehört zu den bestbezahltesten Spielern der Welt, sagt Matthias Bayer, der selbst erst 22 Jahre jung ist. Rund 10 000 Euro verdient Jang Jaeho, genannt „Moon“, im Monat durch seine Sponsoren. Offizielle Zahlen, was er zusätzlich erspielt, gibt es nicht. Verschiedenste Firmen aus dem Computer bereich reißen sich um den Asiaten, der in seinem Heimatland den Bekanntheitsgrad eines Pop-Stars genießt. Wenn Jang Jaeho in Hotels nächtigt, warten Fans vor der Tür und kreischen, wenn er auf die Straße tritt. Tausende sitzen gebannt vor ihren Fernsehern, wenn er spielt. Ganze Fußballstadien kann er füllen, und er trug sogar die Fackel der Olympischen Spiele in China durch die Provinz Hainan.

In Teltow ist das anders, hier konzentriert sich der 22-jährige Koreaner auf seinen nächsten Gegner und ist für Fragen der Journalisten kaum ansprechbar. Ein Fanpulk gibt es nicht. Wenn Jang Jaeho vor seinem Arbeitsgerät sitzt und spielt, hämmern seine Finger rund 300 mal in der Minute auf die Knöpfe von Maus und Tastatur. Seinen Bildausschnitt auf dem Monitor verschiebt er sekündlich. Immer wieder ist ein anderer Teil des virtuellen Spielbretts zu sehen, auf dem sich kleine bunte Monster bekämpfen, Minen ausbeuten oder Waffen produzieren. Jang Jaehos Blick wirkt dabei leer. Sein Körper ist angespannt. Jede seiner Bewegungen – ob virtuell im Spiel als auch real vorm Computer – wird gefilmt. Im Raum nebenan sitzen zwei Kommentatoren, die wie Marcel Reif bei Nationalspielen der DFB-Elf, sein Spiel verfolgen. Von hier aus gehen Jang Jaehos Spielzüge per Internet in die Welt.

„Inzwischen sind in Deutschland mehr Menschen in der elektronischen Sportliga angemeldet als in der deutschen Handballliga“, erklärt Rolf Platschka, der mit dem 23-jährigen Till Heinrich aus Stahnsdorf die Idee zum Teltower Trainingslager hatte. „Der elektronische Sport wird immer professioneller“, sagt Platschka und zieht Parallelen zum profitablen Fußball. So wie dort mittlerweile Sponsoren die Mietverträge für die großen Stadien bezahlen und dafür im Stadionnamen erscheinen, trägt nun auch die alte Teltower Kaufhalle den Namen ihres Sponsoren: „Icy Box Electronic Sports Center“.

In Eigenleistung wurden die Halle umgebaut, Trennwände gezogen und 12 Computerzimmer eingerichtet. Auch ein Bad mit Dusche gibt es nun, wo früher einmal die Käsetheke stand. Um alles zu finanzieren, wurde jeder Raum an Sponsoren vergeben, die mit riesigen Wandtapeten für ihre Computerteile werben.

Schon seit einigen Jahren lässt sich mit dem elektronischen Sport Geld verdienen, sagt Platschka, der mit 50 Jahren schon ein „Opa“ im der Szene ist. Nahezu jedes Wochenende wird in der alten Kaufhalle gespielt. „Die Gewinne sind hier mit 16 000 Dollar vergleichsweise gering“, erklärt Team-Manager Matthias Bayer. Weltweit lassen sich bei Turnieren bis zu 100 000 Euro verdienen. In Teltow nutzt man hingegen die Chance, um sich kennenzulernen und Taktiken zu üben. Denn die Spieler eines Teams kommen aus allen Teilen der Welt, kennen sich meist nur über Internet.

Doch wie auch beim Fußball, ist die Gruppe derjenigen, die ganz oben mitspielen gering, räumt Rolf Platschka ein. Rund acht bis zehn Stunden müssen Topspieler pro Tag trainieren. Anschließend folgen Fitness- und Konzentrations übungen. Generell hätten fast alle Spieler eine abgeschlossene Schulausbildung oder studierten bereits. „Schule geht eben vor“, versichert auch Matthias Bayer.

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