zum Hauptinhalt

KulTOUR: Ein Hauch Afrika

Werders Kunstgeschoss zeigt Spiel mit dem Müll

Stand:

Werder (Havel) - Der Kaffee zum Bild, Tee zum Objekt, so etwa gibt sich die neue Ausstellung „een en een“ in der Werderschen Stadtgalerie auf der Insel. Natürlich ist das wörtlich zu nehmen, nur eben nicht ganz: Babette Woltemath und Katharina Forster erlauben sich hin und wieder, Kaffee beziehungsweise gebrauchte Teebeutel in ihre mehr oder weniger kunstreichen Werke einzuarbeiten. Aber nicht immer, wäre ja auch langweilig.

Beide Damen verbindet Erfahrung mit dem Land Südafrika, wo offenbar „eines zum einen“ (een en een) kommt. Die Neu-Werderanerin Katharina Forster hat sogar an der Ruth Prowse School of Art in Kapstadt studiert. Sie ist Recycle-Spezialistin, verarbeitet, in jahrzehntealter Tradition, was andere wegwerfen, und sie eben findet.

Da kommen manchmal recht bunte Sachen heraus: Auf rostigen Sägescheiben oder Radkappen werden Kronkorken, Plastikdöschen, Altteddys, rostige Scharniere, Unterwäsche, Armreifen und auch sonst Allerleizeug montiert, unifarben meist, grün, silbern, braun. Wie auf dem Präsentierteller. Aus verbrauchten Teebeuteln, eine Spende aus dem Seniorenheim an der Südspitze Afrikas, hat sie mehr oder weniger formhafte Objekte gemacht. Recycling also, Neugebrauch des Verworfenen, Neubenamsung nach Art der Moderne. Man kann sich auf solche Sachen einlassen, muss es aber nicht, egal ob nun „Bonding“, „Persistance“ oder „Framed“ dransteht. Wer diese teils poppigen Sachen „Spielerei“ nennt, liegt auch nicht ganz falsch, denn die Kunst – alte Regel – machen letztlich immer „die anderen“! Ein schier endloses Spiel mit dem Müll.

Das trifft auch auf Babette Wolthmath zu. Sie verwertet und schönt gebrauchte und zerkratzte Holzplatten aus dem Maurerhandwerk, bemalt sie, soweit erkennbar, mit Afrika-nahen Motiven. Diese „Stelen“ können solo oder als Diptychon in Erscheinung treten. Linien werden mit dem Holzspeitel ein- und nachgeritzt, Formen und Schwünge geschaffen, und das alles meist Ton in Ton bemalt, meist in Bordeauxrot, Zinnober. Manchmal ist auch echter Kaffee ins Bild gearbeitet.

Jetzt kommt Formung für den phantastischen Geist ans Licht, amöbenhafte Gestalten, Tiere, Landschaften vielleicht, verwunschene Erdgebilde, Abstraktionen, die Künstlerin nennt sie „Wegmeilen“, das stimmt immer. Stellt man sie zu zweit, und auf steinerne Füße, so komplementieren die folklorehaften Sujets, ob sie nun wollen, oder nicht. Da sie alle senkrecht und unterschiedlich hoch sind, könnte man sie auch für ein verzaubertes Volk aus Afrika halten, oder für eine bunte Armee. Doch auch hier dürfte sich das Farb- und Formenspiel bald erschöpfen. So geben beide Künstlerinnen dem „Kunst-Geschoss“, was ein Werk allein wohl nicht ganz zu leisten versteht. Denken kann man ja trotzdem, und auch, was man will.

Afrikanisches Flair also im alten Schützenhaus, afrikanische Gesichter in der „Galerie hinter Glas“, erster Stock. Der Fotograf Volker Möll aus Königslutter bei Braunschweig hat, passend zur Zeit, eine Wanderausstellung mit Porträts afrikanischer Flüchtlinge oder Migranten zusammengestellt, 40 Mal 50 Zentimeter im Format, alles schwarz-weiß, und mit ihren Lebensgeschichten in Kurzform versehen. All diese jungen Männer lächeln, allen kann man direkt in die Augen schauen. So werden aus Anonymitäten Menschen, meint Kurator Frank Weber, das allgemeine Bild sei „humanisiert“. Dass dies freilich nicht alles ist und sein wird, weiß ja jedes Kind. Gerold Paul

Ausstellung „een en een“ im Kunstgeschoss Werder, Uferstraße 10. Geöffnet bis 10. Juli, Do bis Sa, 13 bis 18 Uhr.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })