DasWAR“S: Ein Kreuz, ein Papst und Fielmann
Was Peter Könnicke in einem Workshop lernte
Stand:
Vor ein paar Jahren habe ich an der Henri-Nannen-Schule einen Workshop besucht. An einem einzigen Tag beschäftigten wir uns unter anderem mit Bildunterschriften, Texteinstiegen, Überschriften und Unterzeilen.
Man kann sich bei solchen Kompakteinheiten nicht alles merken. Zwei Dinge habe ich allerdings nicht vergessen. Zum einen hat uns der Kursleiter nahe gelegt, jede Visitenkarte, die man kriegt, zu behalten. Ihm habe das während seiner journalistischen Karriere sehr geholfen. Seitdem landen bei mir alle Visitenkarte in einer Plastebox, ein Haufen ungeordneter Namen und Adressen. Ein willkürlicher Griff in die Kiste und da haben wir die Karte der Prüfstellenleiterin des Bundessortenamts – „Register- und Wertprüfung Stein- und Wildobst, Stauden und Gemüse“. Ungemein hilfreich.
Die zweite Sache, die ich mir gemerkt habe, ist eine geniale und inzwischen legendäre Überschrift. Ein Text über den ehemaligen bayrischen Landesvater Franz Josef Strauß trug den Titel: „Kreuz des Südens“.
So was ist mir bislang noch nicht eingefallen. Ich überprüfe zwar regelmäßig, ob mir ein ähnlicher Geniestreich gelingt, bislang gab es aber noch keinen. Immerhin, die Arbeitstitel sind seit langem fertig:
„Enser - Kreuzbube der Mark“,
„Blasig - Kreuzritter mit Mandat“,
„Schmidt - wegweisend wie eine Kreuzung“.
Überschriften sind eine Kunst für sich. Sie brauchen Zeit, um zu reifen. Man muss sie schleifen und feilen. Meistens hat man keine Zeit. Manchmal hilft es, ganz naiv und hemmungslos zu titeln. Kindlich, sozusagen. Vor ein paar Tagen hatte ich meinen Sohn in der Redaktion. Er saß unterm Schreibtisch und kritzelte in der aktuellen Ausgabe herum. Angela Merkel bekam ein Brille und George Bush einen Bart, so dass er aussah wie Fidel Castro. Finanzminister Peer Steinbrück hatte plötzlich wieder volles Haar und Palästinenser-Chef Mahmud Abbas ein Raver-Bärtchen. Alles deutlich sichtbare Fortschritte von Entspannungspolitik. Auch die Überschriften wurden von meinem Sohn zugespitzt: „USA müssen direkt mit Iran verhandeln“ – die Idioten. „China bisher kaum im Visier“ – „Brille? Fielmann!“ Selbst Bildunterschriften wurden präzisiert. Unter einem Foto, auf dem Silvio Berlusconi mit zusammengefalteten Händen zu sehen war, stand gekritzelt: der neue Papst. Klasse Über- und Unterschriften, und alles ohne Kompaktlehrgang. Nur an der politischen Bildung müssen wir noch feilen.
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