Potsdam-Mittelmark: Ein Leben zwischen stachligen Schönheiten
Seit 40 Jahren züchtet Wolfgang Niestradt Kakteen, nun muss er vielleicht Haus und Gewächshaus aufgeben
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Seit 40 Jahren züchtet Wolfgang Niestradt Kakteen, nun muss er vielleicht Haus und Gewächshaus aufgeben Nuthetal - Die Liebe zu den Kakteen hat schon den kleinen Wolfgang gepackt, als er sich auf dem Hof seines Cottbuser Wohnhauses an einem Gewächshaus die Nase platt drückte. Mit sechs Jahren besaß er selbst einige stachlige Schönheiten, zwei Jahre später waren in der Wohnung der Eltern alle Fensterbretter belegt. 1945 wurde die Familie ausgebombt, die Kakteen seien dabei atomisiert worden, benennt Niestradt seinen ersten Verlust. Doch aufgeben wollte er nicht. So nach und nach legte er eine neue Sammlung an, gab sie während seines Studiums bei den Eltern in Pflege. Und als er 1963 für die bestandene Prüfung zum Diplom-Kameramann einen Kaktus für 75 Mark geschenkt bekam, ging es wieder aufwärts mit dem Sammeln von Kakteen und anderen Sukkulenten. In Babelsberg konnte er ein Gewächshaus der ehemaligen Friedhofsgärtnerei nutzen und schließlich nahm er 1983 das Angebot der Gemeinde Bergholz-Rehbrücke an, ein heruntergekommenes Haus in der Mörikestraße zu mieten, auf dessen Grundstück er sich ein eigenes Gewächshaus aufbauen konnte. Tausende von Mark hat er in Haus und Gewächshaus gesteckt. „Es war alles marode. Wir mussten alle Leitungen, ob für Wasser, Gas oder Strom und auch die gesamte Heizung erneuern“, erzählt er. Doch nun droht neues Ungemach. Die Alteigentümer des Hauses klagen auf Eigenbedarf. Das kann Niestradt sogar verstehen und er sieht andere Möglichkeiten, sich zusammen mit Ehefrau Johanna und mit fast 1500 Kakteenarten anderswo niederzulassen. Doch da ziemlich viel Geld zu DDR-Zeiten in das Wohnhaus geflossen ist und das Gewächshaus als sein Eigentum gilt, das sich aber nicht „verpflanzen“ lässt, möchte er zumindest eine Entschädigung haben. Die Alteigentümer aber sähen keinen Grund dafür. Und während die Kakteen üppig und friedlich vor sich hin blühen, werde der Streit erst einmal vor Gericht ausgetragen. Dass es sich bei Niestradts Sammlung um wertvolles Material handelt, steht bei der Auseinandersetzung außer Frage. Im 65 Quadratmeter großen Gewächshaus und in zwei Frühbeeten ist so ziemlich alles versammelt, was sich Kaktus nennt. Und es kommen noch einige andere Sukkulenten dazu wie die Leuchterblume mit ihren eigenwilligen grünbraunen Blüten. Vom berühmten Schwiegermutterstuhl mit seinen gefährlich spitzen Stacheln bis zur Königin der Nacht, von der Schildkrötenpflanze, die erst gegossen werden darf, wenn sie die ersten Blattstiele treibt, ansonsten aber trocken stehen muss, bis zu wuchernden Kakteenschlangen reicht die Auswahl. Das Spezialgebiet des Sammlers aber sind die Echinocereen, von denen er alle Arten hat. Doch ganz sicher kann man da nie sein: „Es sei denn, es wurden neue entdeckt“, sagt Niestradt. Aber auch solchen Neulingen kommt er immer wieder auf die Schliche. Davon profitieren Botanische Gärten ebenso wie andere Sammler und sogar die Natur, wenn seltene Arten wieder ausgewildert werden können. Zurzeit versuchen im Niestradtschen Gewächshaus gerade hunderte von kleinen Sämlingen zu kräftigen Kakteen zu werden. Nicht umsonst ist Niestradt Mitglied der Deutschen Kakteengesellschaft und hat Verbindung zu mehreren Botanischen Gärten. So konnte er während seiner Dreharbeiten für fünf Dokumentarfilme im Jemen offiziell dort Sukkulenten für den Botanischen Garten in Halle sammeln. Für den in Rostock war er mit internationaler Genehmigung in Westafrika tätig. Kakteen müssen hell, warm und trocken stehen. Am heikelsten reagieren sie offenbar auf zu viel Nässe. Deshalb bekommen sie – außer den Sämlingen – immer wieder Diät verordnet. Von Oktober bis April wird gar nicht gegossen, und auch im Sommer gibt es einen Monat kein Wasser. Wann es zu trocken wird für seine Lieblinge, hat Niestradt im Gefühl. fran Nach telefonischer Voranmeldung unter (033200) 85702 kann die Sammlung besichtigt werden.
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