Von Henry Klix: Ein neues Zuhause für Vanessa
Potsdam und Potsdam-Mittelmark gründen gemeinsamen Pflegekinderdienst in Werder
Stand:
Werder (Havel) - Die alleinstehende Mutter der zweijährigen Vanessa* hat einen Mann kennengelernt. Plötzlich hat sie das Gefühl, ihre Jugend nachholen zu müssen. Sie ist kaum noch zu Hause, Vanessa gerät ins Hintertreffen. Es steht schlimm um das Kind, das Jugendamt wird auf den Fall aufmerksam. Vanessa muss in eine Pflegefamilie. Der Pflegekinderdienst sucht die richtigen Pflegeeltern und hilft ihnen mit dem Kind auf den Weg. Potsdam und Potsdam-Mittelmark haben ihre beiden Pflegekinderdienste zusammengelegt, gestern wurde die neue Fachstelle in Werder eröffnet.
Fünf Sozialarbeiter kümmern sich jetzt gemeinsam um die Betreuung der insgesamt fast 200 Pflegekinder und 150 Pflegeeltern im Landkreis und der Landeshauptstadt. Seit 1998 gibt es ein ähnliches Miteinander in der Vermittlung von Adoptivkindern, wie Landrat Wolfgang Blasig (SPD) zur Eröffnung gestern erklärte. Hier sind auch die Landkreise Havelland und Teltow-Fläming beteiligt, beim Pflegekinderdienst müssen sie noch überzeugt werden. Potsdam und Potsdam-Mittelmark denken derweil über weitere Kooperationen wie bei den Verkehrsgesellschaften, den Katasterämtern, der Abfallverwertung und den Krankenhäusern nach, wie Potsdams Bürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern ankündigte.
Durch die größere Mannschaft im Pflegekinderdienst erhofft man sich vor allem eine bessere Werbung und Vorbereitung von Pflegeeltern, denn die werden immer gebraucht. Ihre Eignung wird genau geprüft, außerdem müssen sie sich weiterbilden. Pro Kind erhalten Pflegeeltern eine Aufwandsentschädigung von 200 Euro und etwa 500 Euro als Kostenausgleich, sagte die Leiterin des Pflegekinderdienstes, Corinna Cleve-Naumann. Vor allem kleine Kinder werden zu Pflegeeltern vermittelt, wenn ihre leiblichen Eltern mit dem Elternsein überfordert sind. Kinder unter sechs Jahren dürfen nicht ins Heim.
Ziel der Pflegeelternschaft sei es, die familiären Verhältnisse zu ordnen und die Kinder wieder zurückzubringen, so Cleve-Naumann. Auch Vanessas Mutter, die selbst eine „Heimkarriere“ hinter sich hat, wird in einer „Clearingphase“ nahegebracht, was ihr Kind braucht, und gefragt, was sie leisten kann. Selten entscheiden sich die Eltern am Ende einer solchen Klärung für das Kind. Die meisten Kinder bleiben bei den Pflegeeltern, so Cleve-Naumann – wenn sie sich eingelebt haben auch über das sechste Lebensjahr hinaus. Dennoch: Von Pflegeeltern wird erwartet, sich auch wieder lösen zu können.
Gudrun Händel hat sich im Jahr 1996 entschieden, Pflegemutter zu werden. Es gab ein Nachzüglerkind in ihrer Familie, sie wollte nicht, dass es ohne Geschwister groß wird. Inzwischen hat sie drei Pflegekinder. Auch als Vorsitzende der Potsdamer Ortsgruppe des Vereins für Pflege- und Adoptivfamilien „Pfad“ freut sie sich über die schönen Räumlichkeiten des neuen Pflegekinderdienstes im Gutshof in Werder. Beim Aufbau der gemeinsamen Behörde stand sie beratend zur Seite.
Gudrun Händel kennt ganz unterschiedliche Motivationen, Pflegeeltern zu werden. Was alle mitbringen müssten, sei „ein großes Herz und viel Geduld“. Denn die Kinder kommen oft mit einem Rucksack voller Probleme in die neue Pflegefamilie: Alkohol- und Drogenschädigung, Vernachlässigung, Verwahrlosung, zählt Händel auf. Viele Pflegeeltern haben erlebt, wie Kleinkinder unter einem Nikotinentzug zu leiden haben. „Man braucht eine Anlaufstelle, wo man offen über alles reden kann“, sagt sie.
*Name geändert
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: