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KulTOUR: Ein Professor packt aus

Comédie Soleil zeigt Klemms „Die Prohpezeiung“

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Werder (Havel) - Selten genug sind Theatertexte wichtiger als ihre theatralische Umsetzung. Michael Klemms Stück „Die Prophezeiung“, seit ungefähr einem Jahr im Programm der Werderaner Comédie Soleil, gehört ohne Zweifel dazu. Es ist von großer Sorge um die Zukunft und dem Fortgang dieses Planeten getragen, es spricht von den Illuminati als Weltverschwörern und Verderbern der Erde mit der Absicht, aufzurütteln – damit das drohende Unheil doch noch abgewendet werde.

Zu diesem Behuf hat der Autor mit Christina (Michaela Wrona) und Ricardo (Roman Gegenbauer) zwei scheinbar investigative TV-Journalisten auf den römischen Universitätsprofessor Shalam angesetzt, dem aus unbekannten Gründen das offizielle Lehramt entzogen wurde. So ergibt sich szenisch die Gelegenheit, dem Eigenbrötler ein streng geheimes Wissen über Gegenwart und Zukunft zu entlocken, über den Bar-Code und die Kornkreise oder die Blutlinien zwischen dem britischen Königshaus und dem US-Präsidentenstuhl. Da im Untertitel „Thriller“ steht, darf man natürlich auch Spannung erwarten.

Das Bühnenbild ist attraktiv, ringsum Bücherwände mit regulären und geheimen Gassen. Aus einer solchen taucht mit Nadja Winter eine vierte Person auf, mit rotem Turban und voller kryptischer Andeutungen, wonach der Professor (Michael Klemm) gar nicht der sei, für den man ihn hielte, und dass es hier um eine sehr geheime Prophezeiung gehe, der man besser entflieht. Da die Investigativen aber partout nicht gehen wollen, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Derselbe ist bis zur Pause szenisch wie schauspielerisch wenig ergiebig. Sharan packt aus, was er über diese Verschwörung weiß. Fremden gegenüber wohlgemerkt! Und diese hören seelenruhig zu, wenn er die Planungen dieser globalen Verschwörung offenlegt, als er von den drei Milliarden geplanten Toten spricht, vom Gaddafi-Mord, von den Chinesen. Das ist zwar nicht der allerneueste Stand der Dinge, doch arg und gruselig dafür doppelt. Christina und Ricardo hatten so viel zum Hören, dass sie dabei zu spielen vergaßen, besonders den nötigen Untertext. Darstellerisch wäre in dieser Inszenierung also mancher Schatz noch zu heben, aber man kann eben nicht alles haben.

Nach diesen Vorlesungen und einer Pause kommt langsam die Handlung in Gang. Es stellt sich heraus, dass außer der naiven Journalistin alle „anders als gedacht“ sind. Nicht einmal der Prof ist wirklich ein Gewissen der Welt – obwohl er gern mal einen hebt. Das Finale ist wie ein kleines Gericht. Mehr zu erzählen, wäre nicht fair, sonst „thrillt“ ja nichts mehr, vor Ort, bei Soleil.

Abgesehen davon, dass der Professor (wie auch sein Darsteller) die Motive seiner Beredtsamkeit genauso sorgsam verbirgt wie die Verschwörer ihre Geheimnisse, so stellt auch die aktualisierte Version des Stückes wichtige politische und theaterästhetische Fragen: Warum wohl rein gar nichts passiert, wenn die Differenz zwischen Gewusstem und Nichtwissen mittels Aufklärung überbrückt ist, ob sich ein Übel auf dessen eigenem Niveau besiegen lässt, und der Weltzustand tatsächlich besser war, bevor die Verschwörer kamen. Was ist Ausnahme, was Regel, jetzt, am Ende der Redlichkeit! Von den Antworten hängt die Tendenz einer Inszenierung ab. Die Klemmsche Version entlässt ihr Publikum vielleicht nicht trostlos genug. Kommt Hoffnung nun aus dem Wissen, vom Zweifel – oder aus der Verzweiflung? Eine Bühne darf und soll und muss das erproben, will sie eine Stätte der Wahrheit sein! Gerold Paul

Nächste Vorstellung in Werder am 6. Oktober, 19.30 Uhr. Dann erst wieder im November.

Gerold Paul

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