KulTOUR: Ein schöner Garten mit Hügeln aller Seelenarten
Der Kleinmachnower Fotograf und Dichter Siegmar Jonas legt einen bebilderten Gedichtband vor
Stand:
Kleinmachnow - Nach „Du bist der Klang in mir“ und „Unter den Flügeln des Windes“ legt der Kleinmachnower Lyriker und Fotograf Siegmar Jonas nun seinen dritten Gedichtband vor. Er ist ein wenig anders als die anderen, vielleicht ernster, melancholischer, tiefgründiger.
Das liegt nun nicht daran, dass er erstmals eigene Fotos neben neben sein Wortwerk setzt. Der Titel „Gras an Weges Ufer“, Zitat eines Gedichts aus dem Abschnitt „Lichtblicke“, hilft vielleicht weiter. Wie der Tau an einem kühlen Morgen dem Gras ein Kleid aus Perlen webt, so wünschte der Poet: „Genieße diesen Traum/und leuchte wie ein Stern versonnen/aus deinem kargen Raum“.
Man muss nicht extra betonen, dass es hier, wie bei seinen Fotos auch, nicht vordergründig um „Natur-Lyrik“ geht. Vielmehr scheint es den Autor geradezu zu drängen, hinter den Vorhang der Natur zu lugen, wo manchem mit etwas Glück das eigene Gesicht entgegenschaut. Allegorisches, Metaphorisches also, subsummiert unter ganz verschiedene Perspektiven oder „Blicken“, denn nicht nur dem Dichter und Fotografen ist das Sehen wichtig: „Allen muss die Kunst gelingen, die Kraft des Lichtes zu erringen“.
So führt der 1940 in Stettin geborene Autor an seines „Abends Lebenstür“ den Leser in aller Stille zu den Lichtblicken seines Daseins. Mal steigen ihm dabei „Worte wie aus Wolken“ herab, mal dankt er seinem Garten dafür.
Er geht dem Kleinen und dem Großen nach, der Lebensfülle wie auch dem Verfall, denn Poesie ist überall für den, der sie zu finden und zu sehen weiß: im Auf- und Niederschweben einer Feder, bei Sonnenaufgang, im hohen Heckenwald, in der Anmut einer Blume an Wegesrand, vor den Nebelbäumen im Gebirge. Das Meer mit seinen Bildern ist ihm von allem das Liebste. Auf seinen Wogen ereignet sich ja die so stark beschriebene Schiffsreise seines Lebens, zwischen Nord- und Südwind, zwischen Trübsal und Helle, zwischen eisigen Fjorden und dem heimlichem Flehen nach Umkehr. Das ist toll, und dazu sogar fast noch „klassisch“ gefasst! Das gedankliche Zentrum des Buches.
Mit Gedanken- und Fantasieblicken grüßt der Autor, sowohl Poet wie Maler, das Parkett des Lebens, wovon auch manches seiner schönen Fotos Zeugnis gibt. Trotzdem liest man ständig dieses „Fahre zurück, mein Schiff, hinaus aus kalten Grüften...“ mit. Und findet so auch manche Eloge an den Verfall, das verlassene Haus mit dem toten Fenster, den vom Blitz getroffenen Baum, einen im Frost erstarrten Kristallstrauch. Selbst der Friedhof ist bei ihm ein „schöner Garten mit Hügeln aller Seelenarten...“ - und einer offenen Pforte am Eingang! Zwei „stille Blicke“ am Schluss sind herzensnahen Verstorbenen gewidmet.
Wer ist das Gras, wer ist die Perle? Nicht ganz zufällig erweckt dieser dritte Lyrikband in Ton und Gestalt den Eindruck, Lebenssumme wie auch Fazit des Autors zu sein. Ist die Anzahl der Gedichte mit seinem Lebensjahren identisch, so tritt das schöne Streben nun vor der nahenden Wahrheit scheu zurück. Jonas Verse streben jetzt mehr nach einem ungebundenen Rhythmus. Nicht alles ist gelungen, doch alles sucht Substanz. Wer seinem Lieben demnächst etwas Schönes tun will, sollte sich erinnern, wo die kleinen und die etwas größeren Lebenswahrheiten sich sammeln, in Poesie und Bild gehüllt. Da ist so manche Perle dabei.
Siegmar Jonas, „Gras an Weges Ufer. Gedichte und Fotografien“ 2011, im Selbstverlag (ISBN 978-3-00-035510-3)
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: