zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Ein trockenes Haus

Werderaner Tee- und Wärmestube sucht Neuanfang an neuem Standort. Das Angebot wird gebraucht

Stand:

Werder (Havel) - Das Zittern ist ein Zeichen für seine Alkoholabhängigkeit. Seit seiner frühesten Jugend ist Rüdiger K.* Alkoholiker, erzählt er. Früher hatte er als Stahlarbeiter im Schichtsystem malocht. Seit zwei Jahren ist er wieder arbeitslos und lebt von Hartz IV. „150 Euro bleiben mir zum Leben.“ „Als ich in die Tee- und Wärmestube kam, war ich am Boden, ganz unten“, sagt Rüdiger K. Gedanken an Selbstmord schossen ihm immer wieder durch den Kopf. „Seit ich hier herkomme, geht’s mir besser. Hier werde ich akzeptiert, wie ich bin.“ Er kämpft mit den Tränen.

Rüdiger K. ist einer von 30 bis 40 Menschen, die täglich in die Werderaner Tee- und Wärmestube kommen. Auch jetzt, nach dem Umzug in die Eisenbahnstraße 1, ist das Haus voll. So ein Umzug spricht sich eben rum. Vor knapp einem Jahr sah die Situation nicht so rosig aus. Der langjährige Träger, das Diakonische Werk Potsdam, hatte Insolvenz anmelden müssen. Die Zukunft der sozialen Einrichtung war von einem Tag auf den anderen ungewiss. Seit April vergangenen Jahres gehört die soziale Einrichtung zum Potsdamer Bergmann-Klinikum. „Ein Glücksfall“, wie die Leiterin der Tee- und Wärmestube Martina Müller sagt. Doch die Freude darüber war nur von kurzer Dauer.

Denn am alten Standort in der Brandenburger Straße, einem gemieteten großen Haus mit Garten, gab es erhebliche Probleme mit der Betriebsgenehmigung. „Seit Langem hatten wir dort zu kämpfen“, sagt Müller. „Die ganze untere Etage war feucht. Immer wenn es regnete, kam die Feuchtigkeit hoch.“ Die Hygiene schob dem Betrieb schließlich einen Riegel vor. Denn im alten Haus wurde gekocht und zudem gab es die Lebensmittelausgabe der Potsdamer Tafel. „Wir haben dem Vermieter Zeit gegeben, die Mängel zu beheben“, so Müller. Am Ende sei aber nichts weiter übrig geblieben, als fristgerecht im September zu kündigen, so Theresa Decker, Sprecherin des Bergmann-Klinikums.

Zu dieser Zeit kam Rüdiger K. rund ein Dreivierteljahr in die Tee- und Wärmestube. Obwohl er in Werder lebt, hat er es vorher nie geschafft, das Angebot der Tee- und Wärmestube anzunehmen, das er längst kannte. „Es ist eine Hemmschwelle, die erst einmal überwunden werden muss“, sagt Müller. Rüdiger K. hat bereits mehrere Therapien hinter sich gebracht, erfolglos. Das zermürbe, sagt er. „Niemand hat mich akzeptiert, so wie ich bin. Aber hier fühle ich mich aufgefangen.“ In der Tee- und Wärmestube könnten die Menschen langsam ankommen, sagt die Leiterin Martina Müller. „Wer hier herkommt, dem wird einfach mal zugehört.“

Als feststand, dass die Tee- und Wärmestube aus dem alten Haus raus muss, war der neue Standort noch nicht gefunden. Wieder stand die Zukunft infrage. „Eine passende Immobilie zu finden ist gar nicht so einfach“, erklärt die Klinikumssprecherin Decke. Auch die Stadt Werder konnte offenbar nicht helfen. Obwohl angefragt wurde, sei nie eine Antwort gekommen, so Müller. „Irgendwann hab ich einfach im Internet nach Immobilien geschaut.“

Einiges muss am neuen Standort in der Eisenbahnstraße noch gemacht werden. Noch wird das Büro von Martina Müller nur durch Schränke vom Rest des Raumes abgetrennt. Auch die Küche ist noch nicht eingebaut. „Wir können erst mit dem Kochen beginnen, wenn wir die Genehmigung vom Bauamt haben“, sagt Müller. Es müssten noch Steckdosen installiert, eine Plexiglaswand für die Küche und die Küche selbst eingebaut werden. Hinzu kämen Türen und Wände für das Büro. Alles in allem schätze Müller die Ausgaben auf rund 22 000 Euro.

Im hinteren Teil des neuen Standortes befindet sich das Lager für die Lebensmittelausgabe. Alles wurde frisch gestrichen. Die Menschen kämen aus dem gesamten Landkreis, darunter viele kinderreiche Familien, ältere Menschen, deren Rente nicht ausreiche, und auch Jugendliche, sagt Müller.

Auch Rüdiger K. kommt wegen der Lebensmittel. Wichtiger ist ihm aber die Hilfe. Auf dem Amt werde er als Säufer abgestempelt, nicht ernst genommen, sagt Rüdiger. Die Ehe ist in die Brüche gegangen. Derzeit suche er mit Müller eine kleinere Wohnung und hoffe auf eine neue Therapie. Rüdiger K. hat wieder eine Perspektive gefunden.

Die Tee- und Wärmestube hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Noch sind aber einige Hürden zu nehmen, bis das gesamte Angebot an Hilfe und Unterstützung offeriert werden kann. Laut Klinikumssprecherin Theresa Decker freue man sich über jede Unterstützung. Planungssicherheit sei wichtig, so die Leiterin Martina Müller. Ihr Wunsch: Sponsoren, die die Tee- und Wärmestube auf längere Sicht finanziell unterstützen wollen. (*Name geändert)

Björn Stelley

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })