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KulTOUR: Ein weiter Blick

Schlossgeschichten in Caputh: Eine Ausstellung über Adel in Schlesien

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Schwielowsee - Ausstellungen über Schlösser und Herrenhäuser jenseits von Oder und Neiße gibt es seit Jahren schon in staunenswerter Fülle. Aber wo bitte blieb der mehr oder weniger blaublütige Mensch darin? Das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen, zwischen Essen und Düsseldorf gelegen, hat diesem gravierenden Mangel nun abhelfen können. Dort nämlich wurde im vorigen Jahr eine umfangreiche Schau über den Adel in Schlesien gezeigt. Eine verkleinerte Fassung ist seit dem Wochenende im Seitenflügel von Schloss Caputh unter dem Titel „Schlossgeschichten. Adel in Schlesien“ zu sehen.

„Ein Thema, das viele interessiert“, so Stephan Kaiser, Direktor des Ratinger Museums. Die Caputher Version ist im Wortsinn raumgreifend. Tafel reiht sich an Tafel, Aufsteller an Aufsteller, es dauert, bis man sich durch die zehn Themenkomplexe gearbeitet hat. Wer sich dann immer noch nicht genügend über die Stellung des Adels in Zeit und Raum sowie über ausgewählte Familien informiert fühlt, kann sich noch drei Videos anschauen. Darin äußert sich die schlesische Nobilität von heute über Vorfahren und die verlorenen Pfründe, nicht uninteressant.

Adel war ja nicht gleich Adel und auch nicht gleich Geld! Während man das niederschlesische Blaublut eher zu den Grundherren evangelischen Glaubens zählte, waren die Erlauchten in Oberschlesien mehr oder weniger katholischer „Industrie-Adel“, zum Teil erst nachträglich in diesen Stand erhoben. Also unecht, aber dafür reich. „Alle Hohenlohes waren in Oberschlesien begütert“, so Stephan Kaiser, „die Bayern eher nicht“. Nun kann man sich in aller Ruhe anschauen, wie man in Ratingen den Adel als Stütze der schlesischen Gesellschaft zeichnet: als Gründer bedeutender Kunstsammlungen, als Kirchenmäzene, als Träger des gesellschaftlichen Lebens, oder bei der „Fürsorgepflicht für ihre Untertanen“, die in den Hungergebieten des 19. Jahrhunderts besonders intensiv gewesen sein muss. Es gibt Tafeln zum Thema „Religion und adliges Selbstverständnis“, zu „Familie und adliger Lebensstandard“, „Adel und Literatur“, eine informiert sogar über die Basis-Schau in der Heimat Ratingen. Unter den Köpfen findet man Namen wie von Henckel-Donnersmarck, von Eichendorff, Hans Heinrich XI. Fürst von Pless oder von Schoenaich-Carolath.

Ein ganz breites Geflecht an Themen und Gestalten, so der Museums-Chef bei der Eröffnung am Samstag. Diese Präsentation verzichtet zwar auf zu viel Genealogie, möchte dafür aber so etwas wie eine Musterausstellung sein, eine „mit weitem Blick“, wie er fand.

Dafür sorgt gleich eine ganze Kompanie von Offiziellen: das Kulturforum östliches Europa und die hiesige Stiftung Schlösser und Gärten als Kooperationspartner, die Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen und das Sächsische Staatsministerium des Inneren als Sponsoren, auch die Bundesregierung hat einen Fuß in der Ratinger Tür. Da ist die Unabhängigkeit gegenüber der Historie und dem heutigen Adel natürlich garantiert. Wem die hoch adlige Präsentation trotz allem zu hehr erscheinen sollte, kann sich ja eine Lupe mitbringen, vielleicht wird der kritische Moment so etwas größer. Gerold Paul

Ausstellung im Schloss Caputh bis zum 31. Oktober, Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr

Gerold Paul

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