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Von Henry Klix: „Eine große Freude“
Bei der Obstweinverkostung fürs Blütenfest wurde es mit jedem Glas lustiger
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Werder (Havel) - Obstweinverkostung am Mittwochabend bei der „Muckerschen“: Erst saßen alle streng um die Tische, dann wurde immer lauter gelacht. „Ist ja wie bei ,Dinner for one’“, entfuhr es Ex-Blütenkönigin Astrid Milde, als der Chef des Obstbauvereins, Walter Kassin, mit einer Flasche Himbeerwein über den Teppichrand stolperte. „The same procedure as every year“, wurde vom anderen Tisch geraunt. Eine vom Werderaner Obst- und Gartenbauverein geladene Jury hatte die hausgemachten Obstweine der neuen Saison zu beurteilen, „Vorglühen“ zum Blütenfest.
18 Obstbauern und Mucker hatten ihre aktuellen Kreationen eingereicht – in der Hoffnung auf eine gute Bewertung. Denn in acht Sortenkategorien wird wieder die „Goldene Kruke“ vergeben, die schon in den vergangenen Jahren den Verkauf beim Baumblütenfest (30. April bis 8. Mai) ganz enorm ankurbelte. Für die Jury harte Arbeit, die man sich besser teilte: Aus den 18 Jurymitgliedern – darunter Obstfachleute, Blütenfestfreunde, ehemalige und die amtierende Baumblütenköniginnen – wurden drei Gruppen gebildet, die dann jeweils 33 Weine zu bewerten hatten. Zwischendurch wurde mit Wasser, Brot und Käsewürfeln neutralisiert.
Zwar gibt es mit „Werder Frucht“ und „Christine Berger“ zwei große Unternehmen, die Fruchtweine in gleichmäßiger Qualität und mit konstant zwölf Prozent Alkoholgehalt produzieren. Dafür warten die kleinen Produzenten mit außergewöhnlichen Geschmackserlebnissen und originären Namen wie „Saure Barbara“ oder „Frauenfänger“ auf.
Klarheit, Bukett, Farbe und Geschmack waren am Mittwochabend zu beurteilen, alles muss zur Obstsorte passen. So mischen Experten der Schattenmorelle noch ein paar Saphir- oder Topas-Kirschen bei, um das dezent-bittere Sauerkirscharoma zu verfeinern. Klebrige Finger blieben nicht aus, und manches Jurymitglied fühlte sich durch drastische Bemerkungen seines Sitznachbarn („schmeckt irgendwie nach Terpentin“) im Urteil beeinflusst. Die positiven Bemerkungen überwogen natürlich. Und Baumblütenkönigin Jessica Seiffert stellte erfreut fest, dass sie während ihrer Amtszeit in der Beurteilung von Obstweinen viel sicherer geworden ist. „Man weiß inzwischen, was im Glas ist.“
Maximal 20 Punkte gab es für alle vier Bewertungskriterien. Punktsieger des Abends war ein besonders duftiger Holunderblütenwein, dessen Geruch und Aroma durch und durch überzeugten. „Eine große Freude“, wie Sigmar Wilhelm vom Obst- und Gartenbauverein befand. „Als ob die Blüte konserviert ist.“ Im Schnitt gab es 18 Punkte für dieses Mai-Erlebnis. Fast genauso gut schnitt ein erfrischender Rhabarbertropfen ab, „besonders ausgeglichen in Zucker und Säure“, wie es hieß. Platz drei ein Erdbeerwein, er brachte es auf einen Punkteschnitt von 17. Alles in allem eine bemerkenswerte Tendenz, denn gemeinhin gehören Sauerkirsche und schwarze Johannisbeere zu den beliebtesten Obstweinen.
Zum Goldene-Kruken-Kult gehört, dass die Siegernamen erst kurz vor dem Fest bekanntgegeben werden. Doch die wollte am Ende ohnehin keiner mehr wissen. Zum Ausklang holte die „Muckersche“ noch eine Schellackplatte aus den 1920er Jahren vom legendären Paul Godwin aus dem Regal – und leitete damit den gelösten Teil des traditionsreichen Abends ein. Vom Obstwein auf der Bismarckhöhe wird da gesungen, vom tiefen Glas. Und im Refrain heißt es werbewirksam: „Wenn in Werder die Blüten blühn, dann ist Frühling in Berlin.“
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