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Potsdam-Mittelmark: Eine richtige „Drecksarbeit“

Das alte Turmuhrwerk der St.Andreas Kirche in Teltow wird von Freiwilligen restauriert

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Teltow - „Ping ping ping“ – Ein Geräusch, an das sich die Teltower Verwaltungsbeamten im neuen Bürgerzentrum wohl bald gewöhnen müssen. Knapp 55 Jahre nach Lieferung der Kirchturmuhr für die Teltower St. Andreas Kirche beginnen sich die alten Zahnräder des Uhrwerks wieder zu drehen – vorerst noch in den Werkstätten des Teltower Heimatvereins, spätestens Ende des Jahres aber an dem dafür vorgesehen neuen Platz im Hof des Bürgerzentrums. Dem Kleinmachnower Reinhold Lutsch ist es zu verdanken, dass es soweit überhaupt kommen konnte. Bald wird er und seine freiwillige Restauratorenmannschaft die Uhr zum schlagen, bzw. zum leisen pingen bringen und Teltow wieder mit einer Ortszeit versorgen. Jetzt gaben die ehrenamtlichen Helfer, darunter auch zwei Schüler des Immanuel-Kant-Gymnasiums, einen Einblick in ihre knapp einjährige „richtige Drecksarbeit“, wie alle Beteiligten mit einem Zwinkern sagten.

Als studierter Feingerätebauer wollte Reinhold Lutsch eigentlich nur wissen, wie die kleinen Zeitgeber am Arm eigentlich funktionieren. Schon bald bastelte der 72-jährige gebürtige Berliner auch an größeren Uhren – Wanduhren, Standuhren und Uhren mit Pendeln. Doch selbst die wurden ihm zu klein. „Ich wollte mal an einer Kirchturmuhr schrauben“, erklärte er. Schon zu DDR-Zeiten hatte er sich für das alte Uhrwerk im Turm der Andreaskirche interessiert. Knapp 16 Jahre nach der Wiedervereinigung durfte er endlich ran.

Jede Menge Staub, Taubenkot, Wespennester, Öl und Putzreste fanden Lutsch und Peter Jaeckel vom Heimatverein an der alten Uhr. Schon seit den 70er Jahren hatten die vielen Zahnräder des Magdeburger Uhrenbauers Richard Mayer ihre Arbeit in luftiger Höhe eingestellt. Nach knapp 20 Jahren Dienstzeit hatte die Kirche die mechanische Uhr des Magdeburgers durch eine elektrische ersetzen lassen. Fortan schlummerte der Zeitgeber in der Spitze des Turms und „vergammelte“, wie Jaeckel beschreibt. Erst die Sanierung der Kirche machte den Weg frei, das alte Uhrwerk zu retten.

In mühevoller Arbeit beförderten die Freiwilligen im Frühjahr 2006 das ungefähr kühlschrankgroße technische Denkmal zu Boden. „Schweinekalt“, soll es an diesen Tagen gewesen sein, sagte Jaeckel. Über Seile und Flaschenzüge manövrierten sie die schweren Teile durch das Innere des Turms. „Die alten Hühnerleitern hätten doch nicht gehalten“, erklärte Jaeckel. Insgesamt 360 Kilo wiegt so ein Uhrwerk. Auch zerlegt bringen die einzelnen Zahnräder ein stolzes Gewicht auf die Waage. „Stück für Stück“ und alles von Hand säuberten Lutsch, die Schüler Sophie von Fromm und Theo Schubert und die Vereinsmitglieder Peter Jaeckel und Wolfgang Nierenz die alten Teile. Einmal in der Woche für knapp drei bis vier Stunden trafen sich die Fünf. Mit scharfer Seifenlauge gingen sie an den groben Dreck, feilten und bürsteten später auch in den kleinsten Ritzen. Inzwischen erstrahlt das Werk wieder in den Originalfarben Rot und Grün, den Magdeburger Stadtfarben. Finanziell unterstützt wird ihre Arbeit von Hermann Lamprecht, bekannt durch seine Auftritte als „Alter Fritz“. Er spendete die Erlöse seiner Veranstaltungen dem Heimatverein.

Der hat das alte Uhrwerk inzwischen von der Kirche als Dauerleihgabe übertragen bekommen. Wenn alles klappt, dann können Ende des Jahres die ersten Teltower Touristen die Uhr begutachten. Spielt die Verwaltung mit und sieht ihre Arbeit nicht gestört, dann könnte es wie vor 55 Jahren wieder zu jeder vollen und jeder Viertelstunde leise pingen, hofft Jaeckel. Tobias Reichelt

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