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DasWAR“S: Eine unerhörte Geschichte

DasWAR“S Fast hätte Volker Eckert vorschnell geurteilt Es gibt Wörter, die ich als Journalist einfach nicht gern schreibe. Gemeindevertretung ist so eins.

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DasWAR“S Fast hätte Volker Eckert vorschnell geurteilt Es gibt Wörter, die ich als Journalist einfach nicht gern schreibe. Gemeindevertretung ist so eins. Oder noch schlimmer: Gemeindevertretersitzung. Aber was soll ich machen? Manche Wörter lassen sich ja vermeiden. Redet der Bauamtsleiter von „Querungshilfen“, schreibe ich einfach „Ampeln“, für Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gibt es die wunderbare Abkürzung ABM. Aber um die „Gemeindevertretersitzung“ komme ich nicht herum. Dabei bin ich ja froh, dass es sie gibt, die Gemeindevertretersitzungen. Manchmal geht es ziemlich hoch her, und dann habe ich am nächsten Tag was zu schreiben. Neulich war ich in Stahnsdorf und hatte einen ziemlich anstrengenden Tag hinter mir. Die Tagesordnung war voll mit Beschlussvorlagen, manchmal bekam ich kaum die Abstimmungsergebnisse mit. Nach ungefähr zweieinhalb Stunden waren sie damit durch, der Tagesordnungspunkt „Einwohnerfragestunde“ war an der Reihe. An der Stelle bin ich manchmal gespalten. Der Kopf brummt schon ein bisschen; wenn sich jetzt keiner meldet, komme ich früher nach Hause. Dafür verpasse ich aber auch die Spannung, wenn einer aufsteht, sich vielleicht nochmal nervös räuspert, weil er selten vor Publikum spricht und einen verknitterten Zettel aus der Hosentasche zieht. Was kommt jetzt? Hat einer einen Fall von Korruption im Bauamt aufgedeckt, zu viel für den Straßenausbau bezahlt oder eine neue Partei gegründet? Tatsächlich erhob sich einer und wollte erstmal weit ausholen. Schnell kamen die ersten Rufe der Gemeindevertreter: „Stellen Sie ihre Frage!“ Als sich herausstellte, dass der Mann gar nicht aus Stahnsdorf war, wurde ihm kurzerhand das Rederecht entzogen. Die meisten schienen erleichtert. Mir fielen andere Sitzungen in andern Orten ein, die ähnlich abliefen. Fast wurde ich ein bisschen sentimental. Die Leute müssten sich mehr zuhören, dachte ich. Ich fühlte mich wie ein alter Indianer. Die Sitzung war dann bald zu Ende, ich setzte mich ins Auto und fuhr nach Hause. Die Kinder waren längst im Bett, meine Freundin sah fern. Sie schaute gar nicht zu mir hin, als ich reinkam. Es stimmte etwas nicht. Ich hatte wohl am Morgen vergessen zu sagen, dass ich später komme. „Dabei hab“ ich dich beim Frühstück extra gefragt!“ Verdammt. Wahrscheinlich war im Radio gerade der Wetterbericht gelaufen oder ich hatte im Kopf schon an einem Artikel geschrieben. Was weiß ich, irgendwie hatte ich das nicht mitbekommen. Auf einmal fühlte ich mich wie ein Gemeindevertreter.

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