Potsdam-Mittelmark: „Eine unglaubliche Qualität“
Die Buchautorinnen Nicola Bröcker und Celina Kress über Kleinmachnow – sein Erbe, seine Reize und seine Chancen
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Die Buchautorinnen Nicola Bröcker und Celina Kress über Kleinmachnow – sein Erbe, seine Reize und seine Chancen Frau Kress, muss man zwangsläufig ein Buch über Kleinmachnow schreiben, wenn man wie Sie im Ort wohnt und Architektin ist? Kress: Zwangsläufig sicherlich nicht. Aber es liegt an meiner speziellen Sichtweise als Stadthistorikerin herauszufinden, wie es zu den Sachen gekommen ist, die sich heute als Kleinmachnower Planungsaufgabe darstellen. Was macht Kleinmachnow aus architekturhistorischer so reizvoll? Bröcker: Kleinmachnow zeichnet sich durch eine sehr sorgfältig vorbereitete städtebauliche Planung und Entwicklung aus. Es ist geprägt einerseits von sehr ausgewählten Grünflächen, andererseits durch stellenweise sehr qualitätsvolle Architektur, die einen Zeitraum von 1904 bis in die späten 30er und auch frühen 40er Jahre umfasst. Sehr bekannte Berliner Architekten wie Bruno Paul, Herrmann Henselmann, Max Taut oder Walter Gropius haben hier gebaut Es finden sich aber auch Häuser recht unbekannter Architekten wie des Schweizers Albert Rieder, der in Kleinmachnow zwei ganz bemerkenswerte Häuser errichtete. Aber auch die Bauherren haben sich hervorgetan indem sie sehr individuelle Häuser in Auftrag gaben, die ganz auf ihre privaten Bedürfnisse zugeschnitten wurden. Gerade in der Kaiserzeit waren es Künstlerbauherren, die gemeinsam mit den Architekten zu ganz spannenden architektonischen Lösungen gekommen sind. Bei der Lektüre Ihres Buches fällt auf, dass für die Entwicklung des Ortes unwahrscheinlich viel geplant wurde, Masterpläne gefertigt und Bebauungspläne mehrmals überarbeitet wurden. Ist das eine Qualität des früheren Kleinmachnows? Kress: Das ist das, was mich aus planungshistorischer Sicht so besonders an Kleinmachnow interessiert. Wirklich nachzuweisen, dass Kleinmachnow eine Schlüsselstellung im Urbanisierungsprozess Berlins darstellt. Ein Prozess, der zur Jahrhundertwende eine ungeheure Euphorie und Dynamik erreicht hat, der mit einem internationalen Wettbewerb für einen Gesamtbebauungsplan Berlins 1910 bis nach Kleinmachnow reichte. Es ist interessant, wie diese Entwicklung und der Druck aus der Metropole hier in diesem kleinen Ort beantwortet wurden. Kleinmachnow musste sich mit diesem Druck auseinander setzen und mit dem Heranwachsen an die Großstadt planerisch umgehen. Es ist spannend zu sehen, wie Kleinmachnow das vor und nach 1920 betrieben hat. Der eigene Planungswille und -wunsch der seit 1920 eigenständige Gemeinde stand immer wieder in Diskussion und Auseinandersetzung mit den sich weiterentwickelnden Vorstellungen, die Berlin in Rahmenplänen formuliert hat. Bei unserer Untersuchung ist herausgekommen, dass dabei das Leitbild offenbar während der ganzen Zeit ein ähnliches blieb: die Idee der durchgrünten Stadt. Das fällt bis heute auf, wenn man durch Kleinmachnow fährt: Es gibt Siedlungsbereiche, die umflossen sind von Grün. Heute hört man Leute mahnen, Kleinmachnow braucht ein Leitbild. Offensichtlich gibt es so etwas nach wie vor. Kress: Dieses formulierte Leitbild der durchgrünten Stadt war deutlich bis in die Planungen der frühen Nachkriegszeit nachweisbar. Die weitere Geschichte Berlins führte zu unterschiedlichen Leitbildern der geteilten Stadt. Erst seit der Wende wird versucht, wieder zu neuen Planungsleitbildern für die gesamte Stadt und ihr Umland zu kommen. Das ist ein schwieriger Prozess. Kleinmachnow hat den Vorteil, dass seine städtebauliche Strukturierung den angesprochenen Leitbildern entsprechend bereits vor dem 2. Weltkrieg sehr weit fortgeschritten war. Im Prinzip ist das, was jetzt stattfindet, in weiten Teilen ein Auffüllen der Planungen aus der früheren Zeit. Sind demnach heute Mahnungen vor zu viel Verdichtung unberechtigt? Kress: Ich halte es für enorm wichtig, diese Diskussion aufrecht zu erhalten und deutlich zu führen. Auffüllen bedeutet mehreres: Es gibt durch die Besonderheiten der Zeit große Parzellen, die nicht vollständig bebaut wurden. Man muss eine Diskussion führen, wie weit diese Grundstücke geteilt werden sollen. Gab es so etwas wie ein Schlüsselmoment für die Entwicklung Kleinmachnows? Bröcker: Das war ganz zweifelsfrei die Gründung einer Terraingesellschaft 1904, die in Kleinmachnow Gelände östlich des Zehlendorfer Dammes erwarb und fernab des altes Dorfkerns parzellierte und verkaufte. Hier wurde zum ersten Mal der Anschluss an Zehlendorf als Berliner Vorort gesucht. Damals wie heute gab es Auseinandersetzungen zwischen Siedlungsaktivitäten und Landschaftsschützern. Ist das naturgegeben für Kleinmachnow? Kress: Wahrscheinlich, weil Kleinmachnow wirklich durch seine besonders schöne Flora und seinen Baumbestand bestach. Das wurde als Werbemittel der Terrain-Gesellschaften eingesetzt, anderseits wurde mit dem geworben, was man beim Bauen zwangsläufig teilweise zerstört. Dieser Ort muss bis heute darauf achten, nicht gänzlich das zu zerstören, was bis heute viele aus der Stadt hierher ziehen lässt. Bröcker: Früher herrschte rund um Berlin vorwiegend Kiefernwald vor. Kleinmachnow hatte einen besonders wertvollen alten Laubwaldbestand, der mit der Schleuse und dem Machnower See immer schon die Berliner angezogen hatte, zunächst jedoch mehr als Ausflugs- und weniger als Wohnort. Sie beschreiben die Entwicklung um 1900 als Villenkolonie und Stadtrandsiedlung. Wie hat man Kleinmachnow heute zu definieren. Ist es ein Durchgangsort, ein Bindeglied zwischen zwei Metropolen? Bröcker: Bindeglied ist nicht schlecht gewählt. Aber Kleinmachnow hat eine sehr eigene Struktur und unglaubliche Qualitäten fürs Wohnen. Es gibt inzwischen das Ortszentrum, das versucht, ein Manko dieser Vorortgemeinde auszugleichen. Nachteil an Kleinmachnow ist aus meiner Sicht als Berlinerin die mangelnde Verkehrsanbindung. Wenn man hier lebt, ist man auf das Auto angewiesen. Wenn Sie in 30 Jahren ein Buch über Kleinmachnow schreiben würden, was, glauben Sie, würden Sie da schreiben? Bröcker: Ich als Kunsthistorikerin habe noch ein Desiderat was Kleinmachnow betrifft: Nämlich die 1920er und 30er Jahre in der Wohnhausarchitektur näher zu beleuchten. Ich glaube, dass die Entwicklung hier nicht fehlerhaft verlaufen muss und es durchaus sehr gute Chancen gibt, diesen Ort zu erkennen, die Strukturen, die Qualitäten, die Denkmale aufzuarbeiten und ihnen eine Chance zu geben. Ich denke, es könnte in 20 bis 30 Jahren wesentlich mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt sein. Kress: Ich glaube, dass Kleinmachnow bislang nur eine kurze Zeit hatte, sich wieder zu finden und neu zu definieren. Wenn die vielen neuen Kleinmachnower erst einmal angekommen sind, langsam auch alte und neue Bewohner zueinander finden, wird die Ruhe eintreten, um diesen Ort in seinen Strukturen zu erkennen. Das Gespräch führte PNN-Redakteur Peter Könnicke
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