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Potsdam-Mittelmark: Einen Klassiker zum Hundertsten

Jubiläum mit höchst vergnüglicher Feuerzangenbowle

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Jubiläum mit höchst vergnüglicher Feuerzangenbowle Von Gerold Paul Beelitz. Einhundert Male hat sich also gehoben, was es bei den Beelitzer Konzertabenden seit Oktober 1996 eigentlich weder in der Alten Posthalterei noch in der Grundschul-Aula gab, auch jetzt nicht, in der „Spargelperle" – ein Vorhang. Am Sonnabend zum Jubiläum nun war großer Bahnhof für den Spiritus rector dieses wohl immer abenteuerlichen Unternehmens. Dem Optikermeister Bernhard Knuth hat Beelitz tatsächlich vieles zu danken, nicht nur Kultur der Spitzenklasse, die oft als Prominenz von Spree-Athen kam und der Stadt ein Publikum formte. Auch der integrative Aspekt ist deutlich: Wer auf sich hält, kommt auch von den entlegeneren Teilen der spargelgestützten Groß-Kommune. Zum Hundertsten, zwischen Weihnachten und Neujahr ideal, bescherte das Tourneetheater „Saxonia“ den Beelitzern eine höchst vergnügliche „Feuerzangenbowle“, welche freilich die Grenzen des Tiedemann-Saales beinahe sprengte. Vierzehn Darsteller musste die nicht eben riesige Bühne fassen, Licht und Akustik waren hart am Limit, doch was den Publikumsandrang betraf, so ging es voller nicht. Bevor aber der erfolgreiche Schriftsteller Hans Pfeiffer (Peter Anders) mit drei „f“ in die Rolle des verspäteten Oberprimaners schlüpfen und das Gymnasium in Babenberg unsicher machen konnte, gab es Gratulationen für den Beelitzer Kulturverein, namentlich für Bernhard Knuth. War dieser so sicher nicht, auch die „Zweihundert“ zu erreichen, so erhielt er Rückendeckung von Bürgermeister Thomas Wardin, welcher ihm, als Ersten überhaupt, die „Silberne Ehrennadel der Stadt Beelitz“ (eine güldene gibt es nicht) verlieh und ihn einlud, sich beim Neujahrsempfang ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. Was nun Heinrich Spoerl''s unvergessliches Meisterwerk angeht, so stehen Theaterleute immer zwischen Baum und Borke. Wieviel „Rühmann“ kann eine Bühneninszenierung dieses Klassikers vertragen, zumal man den Stoff als unbedingt bekannt voraussetzen muss? Regisseur Herbert Graedtke (Titelrolle im Film „August der Starke“) ließ seine Drei-Stunden-Fassung in einem Klassenzimmer spielen, dessen Kulisse daran erinnerte, dass dem Bischofswerdaer Tourneetheater erst kürzlich alle Dekoration abgebrannt war. Wilfried Schröder''s Bearbeitung hielt bekannte Szenen wie die mit dem nachbarlichen Lyzeum u.a. außen vor, verwandelte des Schuldirektors (Ulli Schwarz) liebreizende Tochter Eva (Julia Siebenschuh) in eine Musik-Referendarin, kürzte den Part von Pfeiffers zickiger Verlobten Marion (Viola Kowski) angenehm ab. So brillierte das Bühnenpersonal zum Gaudi des Saales in wiedererkennbaren Typen und Situationen: Publikumsliebling war der schlampige Bömmel (Veit Stiller) – der mit de'' Dampf-maschin''. Als Gast der Truppe gab Giso Weißbach den Schnautz wie im Film, die Klasse, lümmelig, laut und zuerst etwas grob, formte sich mit Melworm (Karl Karliczek), dem Klassenprimus Luck (Sascha Graedtke), Oberlümmel Rosen (Uwe Hänchen) und anderen zu einer Oberprima, welche die Musiklehrerin so herrlich anhimmeln konnte, sich bei der alkoholischen Gärung höchst ungehörig (dafür sehr originell) benahm, durch Luck''s Streich die ganze Schule nach Hause schickte, um beim großen Finale mitzuerleben, wie Pfeiffer, Logisgast bei Witwe Windscheit (Gisela Selle), den strengen Schnautz ganz köstlich verdoppelt. Sehr wichtig: Peter Anders spielte niemanden an die Wand. Kräftige Parts, schöne Rollen, doch manchmal war es zu unruhig auf Tiedemanns Bühne. Ende gut, alles gut, Hans und Eva kommen zusammen, das Babenberger Gymnasium hat seine unsterbliche Story bekommen, die Comedia Saxonia einen Riesenapplaus, und das wunderbare Publikum von Beelitz seinen festlichen Theaterabend. Zum Sommer soll es dann sogar „Tosca“ geben. Vorhang auf! Es geht also weiter. Man gratuliert.

Gerold Paul

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