Von Gerold Paul: Einen Moment Gehör!
Bilder der Stille des Künstlers Siegmar Jonas im Rathaus Kleinmachnow
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Kleinmachnow - Wäre kein Lärm in der Welt, niemand wüsste, was Stille ist. Der Kleinmachnower Lyriker und Fotograf Siegmar Jonas hat versucht, diese Stille sichtbar zu machen: Nach einem lauten und stressigen Arbeitsleben reiste der gebürtige Stettiner durch halb Europa, die Stille zu suchen, ihr zu lauschen. Nun kann man seine über die Jahre „gesammelten Werke“ in Kleinmachnows Rathaus sehen.
Ins Rathaus muss jeder mal, ein Ort für Behördengänge, ein Ort für Ruhe – und ein idealer Ort für den Künstler, außerhalb seines Refugiums in der Kleinmachnower Thälmannstraße, der Galerie „Zur Kastanie“. Dort kann man auch sein Buch „Du bist der Klang in mir“ erwerben, ein Band erstklassiger Naturlyrik, mit schönen Aquarellen von Manuela Zeisberg kongenial illustriert: „Der Himmel zieht die Stirn in Falten, das Abendrosa welkt dahin und Wolken schweben in Gestalten wie Geister vor dem Nachtbeginn“, so dichtet der „Abendträumer“.
Natürlich fließt Siegmar Jonas romantisches Blut durch die Adern. Auf seinen Farbfotos findet man so gut wie keine Gebäude, geschweige denn Menschen, sie sind für ihn „Balance, Ausgleich“, auch Flucht aus dem Lärm. Und wohin? Zum Beispiel auf die dänische Insel Laesö, ans Meer, das Jonas so liebt. Eine Düne mit kräftigen Wolken darüber, der Ausschnitt wird zu einem ganz eigenen Bild, ein Klostergarten bei Danzig, riesige Hecken strecken zum Licht, und klein wird, wer das anschaut. Moder in einem litauischen Wald, Moder auch die Bäume hinauf. Ein Lärchengespinst wie aus der Hand von Caspar David Friedrich aus Tirol, gewaltiger Rundstein bei Ebbe in der Bretagne, verwunschene Klüfte dann bei Bilbao, und dazwischen, auf einmal, „Morgenstimmung am Griebnitzssee“, sein Lieblingsbild. Wanderer, musst du je zu den Ämtern, so ruhe hier aus!
Den etwa sechzig Fotos sind etliche Zitate beigegeben, etwa dieses: „Wer kann so viel Stille aufbringen, wie nötig wäre, um das Undurchsichtige zu klären“. Es stammt von Erhart Kästner, dem Sekretarius von Gerhard Hauptmann. Doch! auf dem Baltikum finden sich auch menschliche Spuren. So hat Jonas die Ostsee vom Thomas-Mann-Haus in Nidden her aufgenommen, auch im estnischen Haapsalu gerät ein altherrschaftlicher Anlegesteg in den Vordergrund, bevor man das Meer schaut. Manchmal scheint der Betrachter selbst im Wasser zu stehen, so dicht reicht es bis an den unteren Bildrand.
Eine klare Gliederung mit stets bezeichnendem Vordergrund findet man oft. Wie diese Fotos, in den Formaten 40 mal 40 und 30 mal 45 von den alten Diapositiven gewonnen, keine Titel haben, so lassen sie auch die Schauplätze namenlos. Jonas begnügt sich mit dem Wort „Motivgegend“, und auch das ist genial: So bleibt seine Stille intim, und so wird der Betrachter „assoziationsreif“ gemacht - mit einem einzigen Wort, das selber fast Lyrik ist.
Siegmar Jonas denkt darüber nach, seine Fotos in einem zweiten Buch zu vereinen, die lyrische Ader puckert ja noch, und Ruhe ist immer nötig. Er ist ja in bester Gesellschaft. „Die Stille ist ein Element, worin sich große Dinge selbst verwirklichen“, sagte einst Thomas Carlyle. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 3. November zu den Öffnungszeiten des Rathauses Kleinmachnow, Adolf-Grimme-Ring 10. Weitere Informationen auf: www.kleinmachnow.de
Gerold Paul
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