Von Henry Klix: Eins draufgesetzt
Nach Baustopp auf Lösungssuche: Streit um „Villa San Vitale“ in Caputh
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Schwielowsee - Der Paragraph 34 des Baugesetzbuchs besteht aus langen, umständlichen Satzgebäuden. Architekt Jens Kopmann-Severin aus Caputh hat sie aus aktuellem Anlass auf einen einfachen Nenner gebracht: „Baue wie Dein Nachbar.“ Lange hat er zugeschaut, wie vor seiner Nase die Villa in der Potsdamer Straße 3 wuchs und wuchs, sich über die gewaltigen Erdmassen gewundert, die vom Baustellenhang abgetragen wurden, die Stockwerke, die sich eins ums andere aufstapelten, hier direkt am Potsdamer Ortseingang von Caputh, gleich an der Havel.
„Über Geschmack lässt sich ja streiten, aber die Dimensionen gehen weit über die Bebauung in der Nachbarschaft hinaus“, so Kopmann-Severin. Eine Akteneinsicht bei der Bauaufsicht zeigte, dass der Bauherr und Nachbar, Georg Freiherr von Willisen, tatsächlich über die Baugenehmigung hinaus gebaut hat. Ein Geschoss wurde zusätzlich eingefügt. Der Bau mit seinen 500 Quadratmetern Wohnfläche ist voluminöser, der Turm 43 Zentimeter höher als erlaubt, die Grundrisse verändert. Baustopp!
Freiherr von Willisen ist selbst Architekt und hat bei der Interpretation des Paragraphen 34 ein sicheres Händchen bewiesen: Als ihm Gemeinde und Bauaufsicht Ende der 90er Jahre eine Bauvoranfrage negativ beschieden hatten, klagte er beim Verwaltungsgericht – erfolgreich. Der Bauantrag musste von der Bauaufsicht bewilligt werden, 2006 legte Willisen mit seinem Partner, Michael Müller-Landsberg, dann los. Dass der Rohbau der „Villa San Vitale“ etwas vom Bauantrag abweicht, gibt der freundliche Freiherr unumwunden ein. „So ein Bau ist nicht aus dem Ärmel zu schütteln. Ich hielt das für Toleranzen, das war vielleicht naiv.“ Im sandigen Hang habe er tiefer gründen müssen, so habe sich das zusätzliche Kellergeschoss ergeben. Oberirdisch habe er sich „zu 99 Prozent“ an den Bauantrag gehalten. Der Turm sei wegen der Proportionen etwas höher geworden – die Abstandsflächen würden dennoch alle eingehalten, auch die zum Nachbarn Kopmann-Severin.
Willisen und Müller-Landsberg betonen, wie sehr sie um gute Nachbarschaft bemüht sind. „Wir wollen hier nicht die Buhmänner sein.“ Das Gebäude weiche zwar optisch tatsächlich von den Nachbargebäuden ab, wie Willisen eingesteht. „Aber es fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung trotzdem ein“, zitiert er das Baugesetz.
Er verweist auf die flache Dachneigung, die auch am Kavalierhaus oder an der Caputher Kirche zu finden ist, zeigt die bereitliegenden kohlegebrannten Ziegel für die Fassade, demonstriert, wie die in sich versetzten Geschosswürfel mal an der Potsdamer Straße, mal am abbiegenden Akazienweg ausgerichtet sind. Den Klassizismus, Schinkel, die schönen Potsdamer Villen – all das habe er bei dem Neubau auch im Blick gehabt. „Da ist viel Zeit und sehr viel Herzblut reingeflossen“, so Willisen. Wenn das Haus erst fertig ist, werde es die meisten Caputher überzeugen – gerade hier am Ortseingang. Zum Richtfest seien fast alle Nachbarn dagewesen, hätten alles Gute für den Neubau gewünscht. Nur einer habe ein Problem mit dem Gebäude, der benachbarte Kollege Kopmann-Severin.
Auch der Bauausschuss der Gemeinde ist sauer. Am Dienstag diskutierte er den Änderungsantrag, mit dem Willisen die Abweichungen legalisieren will, um weiterzubauen. Bitternis schwang mit, dass ein ungewolltes Haus juristisch durchgeboxt und noch „eins draufgesetzt“ wurde. Über ein „schottisches Spukschloss mit Geheimetage“ wurde gespottet, von „architektonischer Umweltverschmutzung“ war die Rede. Und mit der Caputher Gestaltungssatzung, mit der der „dörfliche Charakter“ bewahrt werden soll, habe die Villa schon gar nichts zu tun, wie Ausschussmitglied Thomas Dallorso meinte.
„Selbst ein Rentner, der seinen Wäscheplatz überdacht, bekommt die Abrissverfügung“, so Dallorso. Nicht nur er ist der Meinung, dass Willisen ein Geschoss zurückbauen muss. Bauamtsleiterin Kerstin Murin muss nun mit der Bauaufsicht in Belzig nach einer Lösung suchen – der Bauherr müsse Abstriche machen, fasste Murin die Diskussion zusammen. Bauausschussmitglied Thomas Hartmann (SPD) warnte derweil eindringlich vor einer Variante, die an prominenter Stelle auch niemandem gefallen würde: einer Bauruine.
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