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Potsdam-Mittelmark: Einsteigen bitte!

Teltows S-Bahn kommt nicht in Fahrt – drei Jahre nach Eröffnung werden zu wenige Fahrgäste gezählt

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Teltow - Es ist 11 Uhr vormittags. In sechs Minuten wird die nächste S-Bahn von Teltow hinein in die Metropole Berlin fahren. Doch es herrscht gähnende Leere auf dem Bahnsteig. Allein ein älterer Herr steht vor dem Fahrkartenautomaten. Ein Sitzplatz nach Wunsch dürfte für ihn kein Problem sein. Denn selbst dreieinhalb Jahre nach ihrer Einweihung hat die Teltower S-Bahn noch nicht richtig Fahrt aufgenommen. Die geplante Zahl von 5000 Fahrgästen pro Tag ist noch immer nicht erreicht, erklärt S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz. Überraschten die Teltower Fahrgäste noch zur Eröffnung des neuen Haltepunktes mit einem regelrechten Ansturm, herrscht heute Katerstimmung: „Wir haben erheblich mehr erwartet“, sagt Priegnitz, „jetzt müssen alle Beteiligten einen Schlag nachlegen.“

Dichtes Gedränge, ja fast schon Gedrängel auf Bahnsteig und Vorplatz, Warteschlangen um Tickets und Würstchen, so sah es im Februar 2005 zur Eröffnung des neuen Bahnhofs aus. „Die Leute sind ja wie verrückt“, hatte Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) noch verblüfft festgestellt. Mitarbeiter der Bahn hätten ihm erzählt, dass zu keiner Einweihung so viele Menschen gekommen wären. Ein verkehrstechnischer Traum ging für hunderte Gäste an diesem Tag in Erfüllung. Mit der drei Kilometer langen Strecke wurde für die Summe von 32,5 Millionen Euro die letzte Lücke in dem durch den Mauerbau zerrissenen Berliner S-Bahnnetz geschlossen. Im 20-Minuten-Takt rollen die Züge der Linie 25 seitdem von der Mahlower Straße in Teltow bis zum Potsdamer Platz und sogar bis weit in den Norden Berlins.

5000 Fahrgäste täglich – das war eigentlich nur die Zielstellung für die ersten Monate nach Inbetriebnahme des Teltower Bahnhofs. Von dem hoch gesteckten Ziel der Bahn, im Jahr täglich einmal 10 000 Fahrgäste von und nach Teltow zu bewegen, hat man sich inzwischen verabschiedet. Nicht einmal die Hälfte ist erreicht. Anlaufschwierigkeiten, die S-Bahn-Sprecher Priegnitz aber für normal hält. Immer wieder gab es ähnliche Beispiele auf anderen neuen Strecken. In Hennigsdorf, am anderen Ende der Teltower S-Bahnlinie laufe inzwischen alles bestens. Hier steigen die Fahrgastzahlen kontinuierlich, lobt der Sprecher. Verantwortlich dafür seien auch die Hennigsdorfer. Deren S-Bahnhof gibt es seit knapp zehn Jahren.

So lange will Otto Scharwarth nicht warten. Der Teltower Rentner hat sich aufgemacht, um die S-Bahn vor seiner Haustür zu nutzen. Das kommt nicht oft vor, schließlich kann er auch bequem mit dem Auto fahren. Doch heute wird er enttäuscht. Skeptisch wandert er über den Bahnhof. Der Fahrkartenschalter ist geschlossen, schon am Vormittag. Ein Zettel verweist auf den nahen Automaten. Helfen kann der bei Scharwarths spezieller Ticketfrage nicht. Selbst Filippo Triassi, der sich gerade eine Fahrkarte am Automaten gekauft hat, kann dem Rentner keinen Tipp geben: „Hier gibt es niemanden der Fragen beantwortet“, schimpfen die beiden gemeinsam allein auf dem leeren Bahnsteig.

„Nach der Rentabilität dürfe man bei so einem Angebot nie fragen“, erklärt Matthias Stoffregen vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg auf die Frage, wie lange sich die Strecke bei dem jetzigen Fahrgastaufkommen noch rechne. Er findet die Zahlen „bedauerlich“, spricht aber von einer „Momentaufnahme“: „Natürlich machen wir uns Gedanken um diese Strecke“, sagt Stoffregen. „Der Anstieg ist nicht so, wie wir ihn uns erwünscht haben, aber das kann noch kommen“, sagt er und hofft auf bessere Tage.

„Das Autofahren in Teltow ist zu attraktiv“, macht sich derweil S-Bahn-Sprecher Priegnitz auf Ursachenforschung. Anders sei das kaum zu erklären, denn gute Busverbindungen sowie Park- und Fahrradstellplätze am S-Bahnhof sind vorhanden. Jetzt müssten die Teltower und auch alle anderen Beteiligten aktiv werden, um nicht nur Pendler in die S-Bahn zu locken, sondern auch Touristen, fordert Priegnitz. Eine für Fahrgäste sehr verlockende Taktverkürzungen oder gar eine Verschiebung der Tarifgrenze B nach Teltow schloss er jedoch aus. Zwar sei beides prinzipiell möglich, sagte hingegen VBB-Sprecher Stoffregen, Planungen dafür gebe es jedoch nicht. Und derzeit auch nicht für eine Verlängerung der Strecke nach Stahnsdorf, hieß es von beiden Sprechern. Zu ungewiss, ob ein weiterer Bahnhof mehr Fahrgäste anlocken würde

Und nun einfach auf bessere Tage warten? „Das Land stellt die Strecke nicht in Frage“, hieß es aus dem zuständigen Brandenburgischen Verkehrsministerium. Teltows S-Bahn ist also sicher, aber leider ziemlich leer. Als der Zug an diesem Vormittag um 11.06 Uhr vom Teltower Bahnsteig abfährt, sind insgesamt elf Personen eingestiegen. Otto Scharwarth ist schon wieder verschwunden. Vermutlich im Auto auf dem Weg nach Berlin.

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