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KulTOUR: Einsteins Architekt und sein Jüterboger Erbe

Fachtagung zu Konrad Wachsmann in Caputh

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Schwielowsee . Caputh - Unter Architekten und Denkmalschützern ist der Deutschamerikaner Konrad Wachsmann (1901-1981) eine feste Größe, ja eine Ikone der Moderne. Sein Einsteinhaus in Caputh erlangt allmählich sogar Weltgeltung. Am Samstag trafen sich im Caputher Gildehaus teils weitgereiste Experten, um über das tradierte Wachsmann-Bild zu beraten: Er gilt als Pionier des industriell vorgefertigten Bauens, stand Bauhaus-Leuten wie Martin Gropius und Laszlo Moholy-Nagy nahe. Doch aus dieser Nähe scheint nun eine lichtere Ferne zu werden.

Der Initiativkreis Albert-Einstein-Haus hatte zu dieser Tagung eingeladen. Gefolgt waren auch Jürgen und Niels Estrich: Der eine ist der Sohn, der andere der Enkel von Georg Estrich, der sich einst in Jüterbog ein Haus von Einsteins Architekten hatte entwerfen lassen. Das Haus Dr. Estrich gilt als der ungleiche Bruder des Einsteinhauses, und um dieses eher untypische Werk Wachsmanns ging es vordergründig – sowie um dessen unbestimmte Zukunft. Aber hinter allem steckt ja stets noch etwas anderes – auch ein anderer Wachsmann? Dieses Gebäude, hart an die Stadtmauer gesetzt, passt nun gar nicht in das Konzept der Schubladendenker.

1929/30 errichtet, gilt es als erstes Werk des freischaffenden Architekten, nachdem er seine Bindung an die Firma Christoph & Unmarck in Niesky gelöst hatte. Das Haus Estrich wurde zwar ganz traditionell mit Ziegeln gebaut, doch anders als das Einsteinhaus weist es insgesamt alle Merkmale der Moderne auf. Es wurde von innen nach außen konstruiert und den Wünschen des Bauherrn angepasst: Wohnräume unten, Arztpraxis oben, beides voneinander getrennt.

Georg Estrich und Konrad Wachsmann mochten sich, berichtete dessen Sohn Jürgen auf der Tagung. Sein Sohn Niels, Enkel von Georg Estrich, war aus Liechtenstein angereist, er wollte hören, wie es mit dem Haus weitergehen könnte. Es stehe ja erst seit März dieses Jahres leer, bis dahin waren stets praktizierende Ärzte seine Bewohner. Sanierungsbedarf auf der einen Seite, die Denkmalschützer auf der anderen, ließe sich bei dieser Gelegenheit ein Nutzungskonzept finden? Immerhin beteiligten sich Vertreter der Bauhaus-Universität Weimar, des Ministeriums für Infrastruktur, der Oberen Denkmalbehörde und der Fachhochschule Potsdam (FHP) an der Tagung, fast 50 Teilnehmer im Ganzen.

Nachdem Lars Scharnholz, Experte für die „Neue Industriekultur“, in die regionalen Bauten der Moderne eingeführt hatte, versuchte Elke Dorner von der FHP, den Proporz zwischen Tradition und Innovation im Frühwerk des Architekten Wachsmann neu zu bestimmen, wobei sie immer wieder auf Michael Grünings Buch „Der Wachsmann-Report“ zurückkam. Sie sieht im Estrich-Haus eine Besonderheit innerhalb seines Gesamtwerkes, eine Pionierleistung diesseits des industriell Vorgefertigten, einen Wert der Moderne. Seine „Neuentdeckung“ stehe noch aus, sicher aber sei schon jetzt, dass man das „Bild von Wachsmann etwas korrigieren“ müsse. Allgemeine Denkmalpflegeaspekte übertrug sie auf den „Jüterboger Sonderling“. Sowohl eine private als auch eine öffentliche Nutzung hätten in einem Sanierungskonzept Konsequenzen. Am Beispiel gelungener Rekonstruktionsversuche anderer Bauten in Bernau und Berlin zeigte der Berliner Architekt Franz Jaschke, wie man aktuelle Erfordernisse mit dem Geist eines Gebäudes verbinden kann. Denkmalschutz beziehe sich ja nicht auf die Gründungsurkunde, sondern auf das Datum, unter dem es in die Liste eingetragen wird, in Jüterbog also 2003.

Die Estrichs erwiesen sich als kluge und geduldige Zuhörer. Der Liechtensteiner mochte sich noch nicht festlegen, was mit dem Haus seines Großvaters geschehen soll. In den nächsten fünf Jahren wolle man in Ruhe darüber nachdenken. Eine Erkenntnis des Abends war jene, dass vorgefertigte Häuser wie vorgefertigte Meinungen nichts Dauerhaftes sein müssen. Nicht mal die vielgeliebte Moderne ist vor „Aktualisierungen“ sicher.

Gerold Paul

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