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Anstehen für Europa. Aus den Krisenherden der Welt flüchten immer mehr Menschen, um in die Europäische Union zu kommen. Auch Brandenburg und Potsdam-Mittelmark müssen deshalb mehr Flüchtlinge aufnehmen.

© Alexander Stein

Potsdam-Mittelmark: Einzug in sechs Monaten

Das Flüchtlingsheim in Stahnsdorf wird im Dezember bezogen. Die Vorbereitungen starten nur langsam

Von Eva Schmid

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Stahnsdorf - Der Stahnsdorfer Gewerbepark Greenpark bekommt neue Gäste: Im Dezember werden dort die ersten von insgesamt bis zu 250 Flüchtlingen erwartet. Ihr neues Domizil ist ein viergeschossiger Plattenbau – eine sichere Bleibe, so dürften die Asylsuchenden hoffen. Während vergangenes Jahr die Nachbarkommune Teltow in nur einem Monat die Hilfe organisieren und die Anwohner vorbereiten musste, startet Stahnsdorf unter anderen Vorzeichen.

Dort hat man Zeit und lässt sie sich offenbar auch. Auf eine PNN-Anfrage zu den Vorbereitungen antwortet das Rathaus knapp: „Die Zusammensetzung der Asylbewerber, die in Stahnsdorf aufgenommen werden, ist hinsichtlich Ethnien und sozialen Gesichtspunkten noch unbekannt.“ Erst kurz vor dem Einzug im Dezember würde man darüber vom Landkreis informiert werden.

Daher sei auch noch unklar, wie den Flüchtlingen bei der Integration am besten geholfen werden kann. Mit dem Kreis sei man im Gespräch, um Maßnahmen zu beraten, lässt der Pressesprecher der Gemeinde Stephan Reitzig wissen. Auch plane die Verwaltung mit Vereinen, der Kirche und sozialen Organisationen, ein eigenes Integrationsangebot vorzubereiten – wenn es so weit ist. Ob die Stahnsdorfer im Vorfeld auf die neuen Bewohner des Gewerbegebietes vorbereitet werden sollen, ist noch offen.

„Stahnsdorf hat im Gegensatz zu Teltow jetzt noch eine gute Vorlaufzeit von einem halben Jahr“, sagt die Integrationsbeauftragte des Landkreises, Theresa Arens. Der Gemeinde habe sie bereits einige Möglichkeiten vorgeschlagen: Bürgerversammlungen, ein Familienfest im Vorfeld und die Suche nach Ehrenamtlichen für Patenschaften sei im Vorfeld wichtig. Ob Stahnsdorf zu passiv sei, könne Arens derzeit noch nicht bewerten. „Integration ist eine Führungsfrage“, sagt die Integrationsbeauftragte. Die Verwaltung müsse das zivilgesellschaftliche Engagement koordinieren.

Immerhin sei es ein erstes gutes Zeichen, dass die Gemeinde bei der sogenannten „Willkommens-AG“ in Teltow mitmachen wolle. Die Gruppe, bestehend aus Vertretern von Vereinen, Kirche, der Stadt und dem Landkreis sowie Sozialarbeitern, berät regelmäßig, wie die Integration der Flüchtlinge begleitet werden kann. Sie wurde vom Teltower Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) und dem Landkreis kurz nach der Ankunft der Flüchtlinge im Februar vergangenen Jahres gegründet.

Dass es in Stahnsdorf nicht so einfach wie in Teltow laufen wird, befürchten mehrere Helfer. „Die Alternative für Deutschland hat in Kleinmachnow und Stahnsdorf über vier Prozent bei der Kommunalwahl erzielt“, sagt Conrad Wilitzki vom „Netzwerk Tolerantes Teltow“. Er wirft der neuen Partei vor, rechtspopulistisch zu sein und befürchtet, dass deren Wähler die Flüchtlinge nicht gut aufnehmen werden. „Es wird schwer zu vermitteln sein, dass bald Flüchtlinge in Stahnsdorf leben werden.“

Auch Marlis Lemke von der Akademie 2. Lebenshälfte befürchtet, dass es in Stahnsdorf schwierig wird, ehrenamtliche Senioren zu finden. „Sie wollen meist dort eingesetzt werden, wo sie wohnen“, so Lemke. Da das Gewerbegebiet aber etwas abgelegen sei, werde schon die Anfahrt zur Hürde. „Wer kein eigenes Auto hat, muss den Bus nehmen und der fährt nur jede Stunde.“

Lemke ist bei der Akademie für die Arbeit mit den Ehrenamtlichen zuständig. Freiwillige Helfer würden bisher vor allem aus Teltow und Kleinmachnow kommen. Senioren zu finden, die vor allem mit Flüchtlingskindern Hausaufgaben machen oder Lesen üben, sei nicht einfach. Manchmal bekomme sie zu hören, dass deutsche Kinder auch Schwierigkeiten hätten und dass ihnen doch auch geholfen werden müsste.

Lemke hofft, mit Flyern in der Stahnsdorfer Bibliothek Senioren zu finden, die helfen wollen. „Dorthin kommen viele Großeltern mit ihren Enkelkindern.“ Zudem will sie im September auf der 750-Jahr-Feier der Gemeinde weitere ehrenamtliche Helfer anwerben.

Auch die Evangelische Kirchengemeinde will sich engagieren: „Auch wir werden abwarten, wer kommen wird und was die Menschen für Bedürfnisse haben“, sagt Michael Hübner, stellvertretender Vorsitzender des Gemeindekirchenrates. Sind die Flüchtlinge traumatisiert und brauchen muttersprachliche Seelsorger oder haben sie Interesse an Gottesdiensten? Das seien Fragen, die man jetzt noch nicht beantworten könne.

Indes sind in einigen Schulen und Kitas in Stahnsdorf Erzieher und Lehrer zusammen mit der Verwaltung bereits am Planen. „Auch die Eltern haben wir auf einer Schulkonferenz schon informiert“, sagt Jörg Pahl, Direktor der Lindenhof-Grundschule. Nach den Sommerferien wolle man sich mit der Teltower Stubenrauchschule zusammensetzen, damit sie von ihren Erfahrungen mit den Flüchtlingskindern berichten kann. „Es bleibt aber unglaublich schwierig, zu planen, wenn wir gar nicht genau wissen, wie viele Kinder kommen.“

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