Potsdam-Mittelmark: Eltern für drei Monate
Susan war allein mit zwei Kindern und ohne Wohnung. Das Jugendamt besorgte eine Ersatzfamilie
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Susan war allein mit zwei Kindern und ohne Wohnung. Das Jugendamt besorgte eine Ersatzfamilie Von Kirsten Graulich Potsdam-Mittelmark - Mit 16 wurde Susan das erste Mal Mutter, der Kindsvater lebte schon vier Monate vor der Geburt bei einer anderen Frau. Zwei Jahre später lernte sie dann Max kennen, zog zu ihm und bekam ihr zweites Kind. Jetzt hatte sie endlich, was sie sich lange gewünscht hatte: eine kleine Familie. Damals dachte sie noch nicht daran, dass sie ihre Kinder einmal in die Obhut fremder Menschen geben würde. Doch schon wenige Wochen nach der Geburt des kleinen Johann gab es Streit. Max fühlte sich in der kleinen Wohnung eingeengt, ging lieber zu Freunden. Susan war mit den beiden Kleinen überlastet, schlief abends beim Füttern fast ein. Als Max dann auch noch arbeitslos wurde, saß er oft tagelang stumm vor dem Fernseher und trank. Eines Tages, sie kam mit dem Kindern vom Einkauf, standen ihre Sachen vor der Tür. Max ließ sie nicht mehr rein, er hatte das Türschloss ausgewechselt – und er hatte den Mietvertrag. Zu ihrer Mutter wollte Susan nicht, denn die hatte ihr immer prophezeit, die Sache mit Max werde nicht gut gehen. Außerdem gab es da auch ständig Streit mit ihrem neuen Mann. Einige Tage konnte sie mit den Kindern bei einer Freundin bleiben, die riet ihr zum Jugendamt zu gehen. Dort hörte Susan zum ersten Mal das Wort „Inobhutnahme". Das bedeutet, dass ihre Kinder vorübergehend von einer Bereitschaftspflegefamilie aufgenommen werden, bis Susan ihre Krise überwunden hat. Das hieße: ein Dach über dem Kopf, den Lebensunterhalt klären und Ämter aufsuchen, Antragsformulare ausfüllen. Im Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Gemeinnützigen Gesellschaft für soziale Hilfen in Berlin/Brandenburg (SHBB) wurde ein Hilfeplan aufgestellt. Der Gedanke, sich von den Kindern zu trennen, wenn auch nur für kurz, tat Susan weh. Gleichzeitig wusste sie, dass ihre Kraftreserven aufgebraucht waren. Sie fühlte sich überfordert, allein aus dieser Situation herauszukommen. Die Sozialarbeiterin versprach, dass sie ihre Kinder bei den Bereitschaftspflegeeltern regelmäßig besuchen könne. Susan stimmte zu. Erst später wurde ihr klar, dass die Entscheidung richtig war. Auch weil sie bei ihren Besuchen in der Pflegefamilie erstmals spürte, was Familie auch sein kann. Seit die Kinder wieder bei ihr sind, bemüht sich Susan um einen geregelten Tagesablauf, geht täglich mit den Kindern spazieren. Ohne Gute-Nacht-Geschichten wollen die jetzt nicht mehr ins Bett. Als Nahtstelle für Kinder und Eltern in Krisen sieht sich das Team der SHBB, das eng mit dem Jugendamt zusammenarbeitet. Rund um die Uhr stehen sie und ihre Mitarbeiter bereit, um Kindern und Jugendlichen in Notsituationen zu helfen. Manche Kinder werden von der Polizei gebracht, einige kommen selbst oder Eltern bitten um Rat. „Bei den meisten Familien kracht es nach Weihnachten, aber auch Trennungen der Eltern sind häufig ein Grund", sagt Geschäftsführerin Ulrike Hart. Gemeinsam werden dann Lösungen gesucht, oft brauchen Eltern und Kinder erst einmal Abstand, um eine Situation klären zu können und dafür ist es manchmal notwendig, das Kind aus der Herkunftsfamilie herauszunehmen. Jugendamt und SHBB suchen deshalb Familien in Potsdam-Mittelmark, die bereit sind, Kinder – vom Baby bis zum Alter von sechs Jahren – für eine vorübergehende Zeit bei sich aufzunehmen, wenn ihre Eltern sich in schwierigen Lebenssituationen befinden. Diese Pflegeeltern müssen sich allerdings darauf einstellen, dass die Kinder nach einer bestimmten Zeit, meist drei Monaten, wieder zu ihren Eltern zurückkehren. Ideal wäre es, wenn in der Familie bereits ältere Geschwisterkinder sind. Die Bereitschaftspflegeeltern werden für ihre Aufgabe durch Mitarbeiter der SHBB geschult, finanzielle Aufwendungen für die Betreuung der Kinder werden erstattet. Vor allem in der Region Teltow, in Werder und im Belziger Umland werden diese Eltern auf Zeit gesucht. Weitere Informationen unter 0331/601088-0 oder über Internet: www.shbb-potsdam.de
Kirsten Graulich
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