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Selten geworden. Radwegzwang an der Förster-Funke-Allee in Kleinmachnow. Radfahrer dürfen hier nicht auf die Fahrbahn – und nicht auf den Gehweg.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Ende des Radwegzwangs

Im Landkreis werden aufgrund eines Gerichtsurteils die blauen Radwegschilder an wenig befahrenen Straßen abgebaut. Wie man in Nuthetal und Kleinmachnow darüber denkt

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Potsdam-Mittelmark - Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Benutzungszwang von Radwegen ist bereits einige Jahre alt, jetzt wird es in Potsdam-Mittelmark umgesetzt: In den Gemeinden des Landkreises werden viele der blauen Radwegschilder abmontiert. In der Nuthetaler Gartenstadt zum Beispiel mussten kurz vor dem Jahreswechsel auf Anordnung der Verkehrsbehörde gleich 16 Schilder abgebaut werden. De facto gibt es in der Gartenstadt keine Radwege mehr, sagte Ordnungsamtsleiter Rainer vom Lehn gegenüber den PNN. „Ich habe die Schilder sicherheitshalber einmotten lassen, falls es irgendwann eine neue Rechtslage geben sollte.“

Das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht aus dem Jahr 2009 ist klar formuliert: „Eine Radwegebenutzungspflicht darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt.“ Der Richterspruch fußt auf eine Änderung der Straßenverkehrsordnung im Jahr 1997. Seitdem dürfen Radwege an sich nur noch an dicht befahrenen und für Radler besonders gefährlichen Hauptstraßen ausgewiesen werden.

Darauf beruft sich auch das Verkehrsamt. „Bei jeder Verkehrsschau gucken wir, wo Schilder abmontiert werden müssen“, sagt Fachbereichsleiterin Heike Vierke-Eichler. „Innerorts müssen wir überall ran.“ In Gemeinden wie Stahnsdorf, Kleinmachnow und Nuthetal, Wusterwitz und Wiesenburg seien inzwischen bereits viele der Schilder abgenommen worden. Immer mal würden Fragen aus den Kommunen dazu kommen. „Wir kommen am Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes nicht vorbei“, antwortet Vierke-Eichler dann.

In Kleinmachnow würden sich die letzten verpflichtenden Radwege im Wesentlichen an den Hauptstraßen Hohe Kiefer und Zehlendorfer Damm befinden, bestätigte Rathaussprecherin Martina Bellack auf PNN-Anfrage. Das heiße nicht, dass Radfahrer und insbesondere Kinder (siehe Kasten) nun zwangsläufig auf die Straße müssen. An der Thälmannstraße etwa ist aus dem früheren Radweg durch Wegfall der blauen Schilder ein „sonstiger Weg“ für Radler geworden. Die bauliche Abtrennung zwischen Fuß- und Radweg besagt, dass Radler nach wie vor hier fahren dürfen, aber eben nicht müssen.

Auch an der Karl-Marx-Straße könnten Radfahrer den Gehweg auf Wunsch nutzen, müssten aber auf die Fußgänger achten. Die blauen Radwegschilder wurden auch hier abgebaut. Stattdessen gibt es unter den Fußgängerschildern weiße Zusatzzeichen „Radfahrer frei“. „An den Kreuzungen haben Radler auf diesen Wegen keine Vorfahrt mehr“, betont Bellack.

Aus dem Verkehrsamt wird diese Lesart bestätigt. „Bei den Straßensanierungen nach der Wende wurden ja häufig Geh- und Radwege gebaut, die farblich und baulich voneinander abgesetzt sind“, so Heike Vierke-Eichler. Sie würden ohne Radwegschild als „sonstige Wege“ gelten und könnten, müssen aber nicht von Radlern in Fahrtrichtung genutzt werden. „Das ist ein ähnlicher Status wie bei den weißen Zusatzschildern“, so Vierke-Eichler. Sie wären sinnvoll, wo keine bauliche Abtrennung zwischen Geh- und Radweg besteht. Allerdings haben Fußgänger hier Vorrang.

Bei der Kleinmachnower Ortsgruppe des ADFC werden die Aktivitäten des Verkehrsamts grundsätzlich begrüßt. „Wenn die Verkehrsbehörde zur Einsicht kommt, dass nicht schon ab 1000 Autos pro Tag ein Radweg angeordnet werden muss, wäre das ja sehr positiv“, so der Vizesprecher der ADFC-Ortsgruppe, Peter Weis. Er würde sich wünschen, dass bei den Entscheidungen „Leute stärker einzogen werden, die etwas vom Radverkehr verstehen“.

Denn aus Sicht des ADFC könnten die blauen Zwangsschilder sogar noch konsequenter entfernt werden. Weis schätzt, dass wenigstens 80 Prozent davon gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Er will den Benutzungszwang auch für die übriggebliebenen Kleinmachnower Zwangsradwege wie am Zehlendorfer Damm kippen und hat deshalb – stellvertretend für den ADFC – geklagt. Nachdem er beim Potsdamer Verwaltungsgericht gescheitert war (PNN berichteten), hat er das Urteil angefochten. Ob die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg angenommen wird, sei noch offen.

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